Nutze Cursor mit Scrollbalken.

 

In der Stadt ist nichts wie es scheint.

Maniac Mansion, Zak McKracken, Monkey Island, Day of the Tentacle. Diese großartigen Spiele haben eines gemeinsam: LucasArts. Die ehemalige Spielefirma hat das Point’n’Click Genre geprägt wie keine andere. Und so ist es kaum verwunderlich, dass Ron Gilbert und Gary Winnick, die sich unter anderem für die oben genannten Spiele verantwortlich zeichnen, 2014 eine Crowdfunding Kampagne ins Leben gerufen haben. Sie wollen herausfinden, was den Charme der alten Spiele ausmacht, der ihrer Meinung nach den modernen Genrevertretern fehlt. Ihre Aufgabe war es ein Spiel zu entwickeln, das sich so anfühlen soll, als hätte man eine alte staubige Schreibtischschublade geöffnet und ein unentdecktes LucasArts-Adventure gefunden, das man bisher noch nicht gespielt hat.

Meine Augen funkeln. Ich erinnere mich gerne an die alten Spiele. Die spannenden Geschichten, der schwarze Humor, die fantastischen Pixelgrafiken und die Sounds verleiten den Games eine Atmosphäre, die es sonst nirgends zu finden gibt. Mit großen Erwartungen gehe ich an das Spiel heran. Ich bin sehr gespannt, ob Terrible Toybox Inc. (wie sie sich jetzt nennen) meine Kindheit wieder aufleben lassen kann.

Auf nach Thimbleweed Park

Thimbleweed Park ist eine Stadt wie keine andere. Ein von Geistern heimgesuchtes Hotel, ein verkommener Zirkus, eine ausgebrannte Kissenfabrik und Toiletten, die mit Vakuumröhren laufen. Da ist eine Leiche, die langsam verpixelt, das geringste Problem.

Wir finden uns in einer Nacht wieder. Ein Schuss und eine Leiche am Fluss. Nach einem kurzen Intro in alter Columbo-Manier – die Tat zu Beginn -, Spielen wir die beiden Bundesagenten Agent Ray und Agent Reyes. Die Leiche hat schon längst begonnen zu verpixeln. Der nerdige Humor wird sofort deutlich. Easter-Eggs gibt es an jeder Ecke. Das Spiel ist zwar düster und packend, aber dennoch nutzt es jede Gelegenheit sich selbst aufs Korn zu nehmen. Es verliert dabei keine Sekunde den Fokus der Geschichte aus den Augen.

Die Agenten Ray und Reyes bei ihrer Arbeit.

Wir wurden also zur Aufklärung des Mordes in das triste Städtchen geschickt, das nach einer Wirtschaftskrise seine goldenen Zeiten längst hinter sich ließ. Es ist Nacht, die Straßen sind leer und viele Häuser und Läden sind verrammelt oder geschlossen. Die merkwürdigen Bewohner sind misstrauisch den fremden Agenten gegenüber. Grillen, Eulen und Windheulen tragen zur düsteren Stimmung bei. Untermalt wird alles mit Jazz und Blues. Die Atmosphäre könnte für einen Krimi nicht besser sein. Ich würde jetzt liebend gerne vor einem Kamin sitzen mit einer Zigarre im Mund und einem guten Whiskey.

Wir untersuchen also die Umgebung, schauen nach Gegenständen und befragen die ansässigen von Thimbleweed. Alles wird mit der Maus gesteuert. Wir haben ein Inventar am unteren rechten Bildschirmrand und auf der linken Seite verschiedene Verben, wie Öffnen, Nehmen, Schauen, Geben. Durch geschicktes Kombinieren von Items und Verben können wir so die Rätsel in Thimbleweed lösen.

Das Spiel geht schnell voran. Es macht unglaublich viel Spaß alles zu erkunden und mit allen NPCs zu interagieren. Die Charaktere im Spiel sind alle einzigartig. Jeder hat seine individuellen Eigenarten. Die Dialoge sind vertont und ich klicke mich gerne durch alle Dialogmöglichkeiten durch. Hinweise sind gut und clever, manchmal aber auch total öffentlich und witzig untergebracht.

Die Qual der Wahl

Das Spiel lässt sich in zwei Schwierigkeitsstufen spielen. Ein gemütlicher Modus für Anfänger und ein schwieriger Modus für alte Point’n’Click Veteranen. Der Unterschied besteht darin, dass manche Rätsel vereinfacht werden, ganze Rätselketten werden dort ausgelassen. Es erspart einem grob gesagt das wahllose Kombinieren der Items. Die Rätsel bleiben schlüssig, wirklich hängen bleibt man also nie. Außerdem sei erwähnt, dass es keine Sackgassen gibt, wie beispielsweise in Maniac Mansion. Somit müsst ihr nicht ständig um euer Savegame fürchten. Und wer die Klopapierrolle lieber nach vorne oder hinten sehen möchte, kann dies auch in den Optionen einstellen!

Ransom der verfluchte Clown

Neben dem Vermeiden von Sackgassen wurden außerdem noch weitere Modernisierungen am Spiel vorgenommen. So geht der Charakter per Klick automatisch zum Cursor. Ein Doppelklick lässt ihn sogar laufen. Das erspart einiges an Zeit, wenn man durch die langen leeren Straßen von Thimbleweed umherirrt. Außerdem gibt das Interface passende Aktionen vor, wenn man mit dem Cursor über Gegenstände fährt. Mit einem Rechtsklick werden diese dann auch ausgeführt. Allerdings werden in der Regel keine Aktionen ausgewählt, die einen bei Rätseln weiterbringen. So einfach macht es uns Thimbleweed dann doch nicht!

Viereckige Augen!

Thimbleweed Park soll ein Spiel der alten Schule sein. Da ist es kaum verwunderlich, dass man der alten Pixelgrafik treu bleibt. Der viereckige Pointillismus wird bei dem Spiel wirklich sehr gut in Szene gesetzt. Wir haben es hier mit einer aufgehübschten Pixeloptik zu tun, ohne den Retro-Charme zu verlieren. Im Vergleich zu Maniac Mansion gibt es aber deutlich mehr Farben. Die Animationen sind detailreicher und flüssiger. Wir bekommen eine räumliche Tiefe durch Parallax-Hintergründe und obendrauf noch moderne Lichteffekte. Laternen und andere Lichtquellen lassen die Sprites der Charaktere sogar aufleuchten. Alles Methoden, die uns eine schönere Optik verschaffen ohne den Pixel-Look zu verfälschen. Als kleiner Hobby-Pixelartist stören mich manche kleine Details. So sehen wir beispielsweise Grasbüschel im Vordergrund, das sich nicht in der dargestellten Pixel-Auflösung hin und her bewegt, sondern in der hoch aufgelösten “echten” Auflösung. Dadurch entsteht ein zweiter kleiner Pixelrand, der die Illusion der Pixelbilder stört. Doch ich denke, das scheint den wenigstens ein Problem zu sein…

Verzweigte Story

Die Geschichte von Thimbleweed Park ist fesselnd. Es wird schnell klar, dass wir nicht nur einen lausigen Mord aufdecken müssen. Viele seltsame Dinge gehen in der Stadt vor sich. Und so schlüpfen wir neben den beiden Agenten auch in die Rolle von drei weiteren Charakteren: Die Spieleentwicklerin Dolores, der *biep*ende Clown Ransome und ein Geist. Wir lernen alle drei Charaktere zuerst in Flashbacks kennen. Wie sich diese in die Geschichte von Thimbleweed einfügen, verrate ich euch nicht.

Ähnlich wie in “Day of the Tentacle” müssen wir auch hier bei verschiedenen Rätseln mit mehreren Charakteren kooperieren. So setzen wir mit einem Charakter eine Aktion in Bewegung und switchen zu einem anderen, der daraufhin fortfahren kann.

Delores vor der abgebrannten Kissenfabrik.

Fazit

Ron Gilbert und Gary Winnick haben alles richtig gemacht. Sie konnten – anders als bei vielen anderen Crowdfunding-Kampagnen – ihr Versprechen in die Tat umsetzen und servieren uns mit Thimbleweed Park eine echte Perle der alten Adventurespiele. Das Spiel fühlt sich nach Kindheit an. Wie ein verschollenes Spiel, das Ende der 80er Jahre die Toilette heruntergespült wurde und in 2017 gelandet ist. Fans der SCUMM-Spiele werden Thimbleweed Park lieben. Nostalgie garantiert! Allen anderen Gamern, die Lust auf ein wenig Rätselraten haben und viel Wert auf eine spannende Story legen, sei der Titel auch wärmsten zu empfehlen.

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