Im Jahr 489 ab urbe condita, für die Nicht-Lateiner unter euch 489 Jahre nach der Gründung Roms, beginnt Imperator: Rome, der neueste Grand-Strategy Titel aus dem Hause Paradox. Am vergangenen Wochenende hatte ich Zeit, ihn mir einmal ganz genau anzuschauen. Und eins kann man schon im Vorfeld verraten: Imperator: Rome ist ein Zeitfresser.
Quod primum impressionem
Die Paradox Titel sind berühmt-berüchtigt. Die Europa Universalis und Heart of Iron Reihen haben im Bereich Grand Strategy Maßstäbe gesetzt und wurden mit jedem weiteren Teil komplexer. Diese Komplexität hat sich in Imperator: Rome fortgesetzt. Der erste Blick auf die Übersichtskarte enthüllt eine grandios detailliert gestaltete Europakarte, mit tausenden kleinen Provinzen. Von Schottland bis Indien erstreckt sie sich, ein bunter Flickenteppich aus antiken Ländern, Stämmen und Reichen, jede Nation spielbar. Und in der Mitte Italiens, noch ziemlich unscheinbar, Rom.
Am Anfang steht wie immer ein Tutorial. Gut gemacht in diesem Fall, erklärt es am Beispiel Roms ziemlich gut, wie die Kernfeatures funktionieren, Details werden allerdings ausgelassen, die muß man sich später im freien Spiel selbst erarbeiten. Und es ist einiges, das man sich erarbeiten muß. Im Tutorial bekommt man das grobe Aufstellen der Armeen, die Verwendung religiöser Omen und die Grundlagen der Diplomatie, des Handels und der Kriegsführung beigebracht. Danach werden wir mit all unserer Unwissenheit auf das antike Europa losgelassen.
Morituri te salutant
Als Trierer (Trier wurde als älteste Stadt Deutschlands von den Römern gegründet) konnte ich natürlich nicht anders als mich direkt auf den römischen Thron zu setzen. Was man schnell merkt, ist wie furchtbar anstrengend das römische System aus Senat und den verschiedenen, einflussreichen Familien, und das Zusammenspiel der gesellschaftlichen Stände ist. Eifrig versuchte ich meinen ersten Nachbarn zu erobern, nur um festzustellen, daß der Senat damit nicht so recht einverstanden ist. Egal, man kann seine Interessen durchsetzen, wenn man dafür einen Anstieg der Tyrannei in Kauf nimmt, mit allen Nebenwirkungen, die das zur Folge hat. Am Anfang ist das alles noch nicht schlimm, unser Reich ist noch klein und überschaubar. Im späteren Spiel, wenn sich das Reich über mehrere hundert Provinzen erstreckt, sieht das anders aus, aber dazu später mehr.
Meine ersten Kriegszüge zur Unterwerfung der italienischen Halbinsel zeigten mir vor allem eins: Blinde Eroberungswut wird bestraft. Jede Provinz hat zum einen einen Versorgungswert den es zu beachten gilt. Ist die dort marschierende Armee zu groß, sterben die Soldaten wie die Fliegen. Zum anderen besitzt jedes Land nur einen begrenzten Pool aus Wehrfähigen, der die toten Soldaten ersetzen kann. Ist der Pool erschöpft, wird aus einer stolzen Legion ziemlich schnell eine mickrige Kohorte. Auch steigt bei jedem erfolgreichen Friedensschluss der Wert für Aggressive Expansion, was zu Unruhen führt, die dann in Sklavenaufständen und Revolten enden. Also gilt es eine Balance zu finden. Auch die Anfangs sehr mageren Einkünfte sind ein Hemmschuh in der Errichtung einer Großmacht. Und zu guter Letzt muß man sich auch ständig mit beleidigten, einflussreichen Senatoren und aufmüpfigen Generälen herumplagen. Eine gewisse Balance zu finden ist kompliziert, aber wenn man den Dreh erst einmal raus hat, nicht zu schwer zu erreichen.
Abyssus abyssum invocat
Imperator: Rome ähnelt mit all den kleinen Rädchen, an denen man schrauben kann und mit denen man hantieren muß einem großen Tanz. Damit ist es den anderen Paradox Titeln sehr ähnlich. Erobert man große Landstriche, sorgt das für Unruhe in den eigenen Provinzen und bei den Nachbarn. Geht man zu zögerlich vor, fallen irgendwann Großmächte wie Karthago oder Mazedonien über einen her. Schafft man sich viele Sklaven, blüht zwar die Wirtschaft, die Gefahr für Hungersnöte steigt allerdings durch die Überbevölkerung und die Forschung lahmt durch das schlechte Verhältnis zwischen den gesellschaftlichen Ständen. All die kleinen Rädchen hier zu erklären würde zu weit führen, dafür ist das Spielsystem einfach zu komplex. Und hier offenbart sich der erste Schwachpunkt des Spiels: Zu sehen, was wo wann gerade schief läuft.
Man bekommt zwar eine Pup-Up-Meldung wenn eine Sklavenrevolte stattfindet, aber wenn eine Barbarenhorde gerade in unser Reich einfällt, sieht man es nur in einem Benachrichtigungsreiter. Schleicht sich eine Armee der KI an den eigenen Reihen vorbei und taucht plötzlich irgendwo sonst im Reich auf, ist es schwer darauf zu reagieren, da man das nur in einem überfrachteten Fenster sehen kann. Es kann daher vorkommen, daß man, wenn man z.B. in Kleinasien gespannt den Krieg gegen Phrygien führt, übersieht, daß sich ein Schiff an die römische Küste geschlichen hat und von dort aus, völlig unbemerkt, eine Provinz nach der anderen erobert, ohne daß der Spieler eine Nachricht erhält. Immerhin kann man das unter den Benachrichtigungsoptionen umstellen. Trotzdem bleibt: Je größer das Reich, desto schlechter der Überblick.
Aut bibat, aut abeat
Hat man also all die kleinen Feinheiten erstmal erlernt, macht es auch richtig Spaß. Aber mit fortschreitender Zeit offenbart sich ein Komplex, der so gar nicht zu der Detaillverliebtheit des Spiels passen will. Das Militär. Alles um die Armeen herum ist wunderbar komplex ausgearbeitet, aber die Einheiten selbst ähneln eher einer Baustelle. Es gibt nicht viele verschiedene Einheitentypen. Bogenschützen, leichte und schwere Infanterie, leichte und schwere Kavallerie, dazu noch regionsabhängig Elefanten, Streitwagen und berittene Bogenschützen. Das wars, mehr Einheitentypen gibt es nicht. Und was noch viel ernüchternder ist: Jede Nation hat dieselben Typen. Man würde bei solch einem komplexen Titel erwarten, daß sich römische Triarier, gallische Stammeskrieger, kapadokische Reiter oder balearische Bogenschützen irgendwie unterscheiden würden, aber Fehlanzeige. Wenn die Römer eine Einheit leichter Infanterie (Velites) ausbildet, sind es dieselben wie in Britannien, Indien oder Afrika. Dieser Mangel an volksspezifischen Unterschieden ist ein großer Minuspunkt, denn so fühlen sich alle Nationen im Kampf völlig gleich an.
Das Kampfprinzip selbst ähnelt einem großen Spiel Stein-Papier-Schere. Die Einheiten einer Armee werden zufällig in einer Linie gegenüber der gegnerischen Armee angeordnet, wem was gegenübersteht ist zufällig. Das führt dazu, daß meistens die Armee mit mehr Männern und der höheren Moral gewinnt, wobei die Verluste meistens ziemlich ähnlich sind. Hier hätte man sich definitiv etwas besseres gewünscht, bleibt zu hoffen, daß sich das irgendwann mit einem Patch ändert.
Carpent tua poma nepotes
Weitere Schwachpunkte offenbaren sich im Laufe des Spiels, sobald man eine andere Großmacht angreift. Die KI scheint manchmal dumm wie Bohnenstroh. Gegnerische Armeen ziehen sich in die Wüste zurück, wo sie langsam durch die Zermürben aufgefressen werden, taktische Finesse in Form von Landemanövern oder Zangenbewegungen scheinen ihr völlig fremd. Kämpft man in Afrika, kann man Italien völlig ungeschützt lassen, eine Überraschung wie Hannibals Zug über die Alpen wird es kaum geben. Richtig nervig wird es, wenn man gegen Flächenstaaten kämpft. Anstatt die Armeen zu bündeln und so uns, den Aggressor, aus dem Land zu treiben, schickt die KI einfach mal einzelne Kohorten tief in unser Hinterland, um wahllos Provinzen zu besetzen. Um das zu verhindern, muß man ständig mit Armeen diesen Ausreissern hinterher hetzen, was besonders ätzend ist, wenn es sich nur um eine Kavalleriekohorte handelt, die kaum einzuholen ist.
Letzten Freitag, nur 2 Tage nach dem Release brachte Paradox den ersten Patch heraus, um Fehler zu beheben und Anpassungen vorzunehmen. Der Nebeneffekt dieses Patches war, daß Gebietsansprüche bei Friedensschlüssen nicht mehr vernünftig reagieren. So hat mein römisches Weltreich es in drei Kriegen gegen Phrygien nicht geschafft, seine Gebietsansprüche auf eine Mini-Insel in der Ägäis durchzusetzen. Die Auswahl dieser Insel war einfach ausgegraut. Das Problem ist Paradox bekannt und sie arbeiten derzeit an einer Lösung, die diese sinnfreien Vorgaben beseitigen soll. Was weiterhin etwas enttäuschend ist, ist der Provinzausbau. Man kann zwischen drei Gebäuden wählen, die man auch mehrfach errichten kann, je nach Größe der Bevölkerung. Etwas mehr Abwechslung wäre auch hier schön gewesen.
Deficit omne, natus sum
Imperator: Rome ist ein grandioses Spiel, ohne Frage. Die Bewertungen bei Steam sind zwar sehr gespalten, aber es herrscht Einigkeit in vielen Punkten. Das rudimentäre Kampfsystem und die Bugs werden zu recht bemängelt, der Rest des Spiels ist allerdings fesselnd und gut gemacht. Die Hoffnung ist, daß Paradox in diesen Punkten schnell nachbessert. Mit volksspezifischen Einheiten und einer sinnvolleren Aufstellung kämpfender Einheiten, würde dieses Spiel zu etwas ganz großem werden. Imperator: Rome macht Spaß und fesselt für Stunden, aber so wie es jetzt ist, fühlt es sich noch etwas unfertig an.