Die Hypothek von Metal Gear Survive
Korrekte Zeichensetzung ist wichtig. Das Gehirn konstruiert sich seine eigene Realität. Diese beiden Lektionen aus Schule und Studium erfuhren für mich nach Enthüllung des ersten Metal Gear Survive eine Auffrischung. So konnte man den Titel leicht als „Metal Gear, Survive!“ lesen und daraus den verzweifelten Versuch ableiten, die Metal Gear-Franchise am Leben zu halten. Nach dem wenigstens irritierenden Ausscheiden von Hideo Kojima und Konamis missverständlicher Ankündigung, die Lizenzen des Publishers weniger für Spiele als für Mobile Games und japanische Pachinko-Maschinen zu nutzen, richtete sich das flammende, lidlose Auge der Gaming-Community auf Konami. Der Reveal-Trailer von Metal Gear Survive auf dem PlayStation Konto kassierte zu 79% negative Bewertungen. Und als mit Silent Hills ein Titel endgültig gecancelt wurde, auf den sich viele Spieler freuten, stand Konami im reißerischen Kosmos Internet nackt in der Finsternis.
Warum wärme ich diese alten Geschichten auf? Nun, erstens weil ich glaube, dass der überwältigende Teil der Leser diese, dann doch gar nicht so alten Geschichten, automatisch reaktivieren, wenn sie „Metal Gear Survive“ hören. Und zweitens möchte ich das negative Image des Spiels benennen, um vielleicht einen Denkanstoß zu geben, dass die schlechte Rezeption der Idee von Metal Gear Survive vielleicht gar nicht so viel mit dem Spiel an sich, als mit den grenzwertig desaströsen Begleitumständen der Verkündung zu tun hatte. Und jetzt wo das brennende Auge in Richtung EA weitergezogen ist, können wir doch einfach mal schauen, welche Bedenken die Community hat, und uns dagegen das tatsächliche Spiel anschauen.
Um dies zu tun, sind wir in die Räumlichkeiten von Konami in Frankfurt eingefallen und durften uns ca. 3 Stunden lang den Singleplayermodus von Metal Gear Survive anschauen. Mit Sicherheit nicht genügend Zeit um sich ein abschließendes Urteil zu bilden – für einen Ersteindruck reicht es jedoch alle mal.
Die Story
Metal Gear Survive legt großen Wert darauf, dass sich das Wort „Solid“ nicht im Titel befindet. Sprich, es ist ein Spin Off, das sich nicht als Sequel der Reihe versteht sondern nur lose mit der Haupthandlung verknüpft ist. Ähnlich wie es das gelungene Metal Gear Rising auch tat.
Nach dem Angriff auf die Mother Base am Ende von Metal Gear Solid V: Ground Zeroes wird ein namenloser Soldat durch ein Wurmloch in eine alternative Dimension gesaugt. Dieser findet sich nun einer feindseligen Umgebung wieder und macht es sich zur Aufgabe, weitere Überlebende zu retten. Ein dringliches Anliegen ist es außerdem, ein Gegenmittel gegen die Infektion zu finden, die aus Menschen kristallbewachsene Zombies macht.
Klingt das wie die beste Geschichte aller Zeiten? Nein. Bis auf weiteres möchte ich hier noch auf „bei Zweifel für den Angeklagten“ entscheiden. Denn auch wenn Hideo Kojima ein Genie ist, ist er auch durchgeknallt. Und wenn ich einen kurzen Blick auf ein Metal Gear Solid geworfen und gesehen hätte, dass es Vampire, Cyber Ninjas, geklonte Superagenten und ja, eigentlich fast immer so eine Art Zombies gibt, wäre ich skeptisch gewesen. Erst im Zusammenspiel aller Elemente entfaltete sich Metal Gear Solid als das Epos, das es war.
In den drei Stunden, die ich spielen durfte, ging es weniger um Story. Ein Konflikt zwischen einem Überlebenden und der KI unserer Basis wurde angedeutet. Aber ansonsten waren wir mit sehr klassischen Quests beschäftigt. Drei Mal in Folge mussten wir zu bestimmten Koordinaten reisen und einen Speicherkern bergen. Zugegeben, wir befanden uns noch in der Tutorial-Phase. Aber der erste Eindruck vom Quest-Design und Story hebt mich zumindest nicht aus den Schuhen.
Das Gameplay
Hier wird es interessant. Metal Gear Survive bezeichnet sich als Survival Action Game. Das bedeutet Basenbau, Crafting, Ressourcenmanagement und eine Prise Charakterentwicklung. Alles vom sicheren Hafen unserer Basis heraus. Wir erweitern sie ständig, schalten neue Gebäude, neues Personal und neue Rezepte frei. Mithilfe der Kuban-Energie leveln wir unseren Avatar auf. Machen ihn stärker, widerstandsfähiger und bringen um neue Kombis bei. Denn alles in der Paralleldimension möchte uns tot sehen. Ein entsprechend großer Fokus wurde beim Anspiel Event auch auf den Überlebensaspekt gelegt. In den 3 Stunden des Anspielens wurden wir mit vier Wegen des vorzeitigen Ablebens konfrontiert: Verhungern, Verdursten, Ersticken, Fremdeinwirkung.
Hunger und Durst
Anders als in Dead Rising 4 oder Left4Dead sind die Zombies hier nicht die einzige Gefahr. Ohne Zugang zu Wasser und Nahrung braucht es keinen der umherschlurfenden Hirnnascher um uns unter die Erde zu bringen. Zu Beginn des Spiels sollten wir die unmittelbare Umgebung der Basis zunächst nach Wasserquellen und Wildtieren absuchen. Die Ausbeute ist zunächst noch nicht großartig: Pfützen voller schmutzigem Wasser, streunende Ratten und wenn wir Glück haben Wasserflaschen und Schafe. Damit kommen wir erst einmal über die Runden. Je weiter wir im Spiel voranschreiten, desto besser kriegen wir unsere Grundbedürfnisse in den Griff. Mit einem Topf können wir schmutziges Wasser abkochen und genießbar machen und ein kleines Beet lässt uns Kartoffeln anpflanzen.
Diese Art Spielmechanik ist für mich immer ein motivierender Faktor und hat auch beim Anspielen von Metal Gear Survive großen Spaß gemacht: Wenn wir in der Ferne einen Schakal erspähen, unsere Chancen abwägen und 10 Minuten später an der Kochstelle Schakalsteak braten, und uns darauf freuen, dass wir bald unsere ersten Kartoffeln ernten können, ist das ein klassisches, funktionierendes Element der Motivation.
Außerdem sind Hunger und Durst interessant in unsere Charakterwerte eingewoben. Beide Bedürfnisse werden in Prozenten von 0 (tot) – 100 (rundum zufrieden) angegeben. Je besser wir mit Nahrung versorgt sind, desto höher ist unsere maximale Lebensenergie. Analog dazu bedeuten höhere Prozentwerte beim Durst eine höhere Ausdauer. In den Anspielstunden wirkten diese Bedürfnisse motivierend: Wir sahen uns ständig nach Wasserquellen, Pflanzen oder Tieren um und legten Vorräte für schlechte Zeiten an. Potentiell ist ein heruntertickender Wert an dessen Ende der Tod steht jedoch auch eine Komponente, die sehr frustrierend sein kann und in Sackgassen führen kann, wenn man schlecht geplant und ohne Wasser in der Einöde gestrandet ist.
Erstickungsgefahr
Denn Einöde gibt es eine ganze Menge. Die Paralleldimension erinnert an eine bösere Version Afghanistans aus Metal Gear V und damit per Definition grau-braun. Die umherliegenden Metallteile peppen die Atmosphäre nicht auf. Zu allem Überfluss ist die Umgebung unserer Basis zu großem Teilen mit tödlichem Staub bedeckt. Ohne eine Sauerstoffmaske, die selbstverständlich zunächst angefertigt werden will, überleben wir in diesem Sturm nicht lange. Und selbst mit Maske erinnert uns die rückwärtslaufende Sauerstoffanzeige daran, dass Staub in den Lungen ein fatales Gesundheitsrisiko ist. Auch dies ist wieder so ein Gameplayelement auf dass ich nicht so wahnsinnig abfahre. Es hat schon einen Grund, warum Unterwasserlevel mit Erstickungsgefahr nicht außergewöhnlich toll aufgenommen werden. Immerhin kann unsere Maske mit Kuban-Energie wieder aufgeladen werden.
Damit sich unser Aktionsradius trotz des natürlichen Hindernisses erweitern kann, gibt es in der Staubwüste Außenposten mit Teleportern, zu denen wir schnellreisen können. Das Aktivieren dieser Teleporter ist mit Krawall und großem Brimborium verbunden. Und jetzt ratet mal, wer sich von Lärm und dimensionalen Anomalien magisch angezogen fühlt?
Fremdeinwirkung à la Zombie
Ein großes Thema bei der Kreation von Gegner in Videospielen ist die Künstliche Intelligenz der Feinde. Gerade in Stealth-Spielen wie Metal Gear Solid ist eine gute KI unverzichtbar, damit die Immersion funktioniert. Für Metal Gear Survive hat sich Konami nun etwas ganz Besonderes ausgedacht: Die vielleicht dümmste KI des Jahres. Und das ist ein verdammt kluger Schachzug bei der Programmierung von Zombies.
Bei der Verteidigung des hochfahrenden Teleporters beispielsweise macht sich der Gebrauch von Defense Units bezahlt. Ausgeklügelte Geräte wie stationäre Maschinengewehre oder Minen befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht in unserem Arsenal. Tatsächlich sind die Zombies aber so doof, dass es schon ausreichen kann, mitten in die Steppe einen 3 Meter breiten Zaun zu stellen. Solange wir uns mittig dahinter befinden, kommt keiner der Infizierten auf die Idee die zwei Schritte darum herum zu schlurfen. So stehen wir in Seelenruhe dahinter und pieksen die Wanderer mit unserem Speer durch den Maschendraht zu Tode. Jedenfalls so lang wie der Zaun die drückenden Horden aushält. Oder bis einer per Zufall versehentlich neben uns steht. Dann heißt es Beine in die Hand nehmen, denn unser Charakter kann nur wenig einstecken. Zudem ist „Rückzug und einen neuen Zaun bauen“ eine vielversprechende Taktik.
Doch so wie der Speer, der dutzende Male in den Zombiekörper stößt, so nutzt sich auch diese Art zu kämpfen sehr schnell ab. Die Gefechte zu Beginn spielten sich sehr repetitiv und langwierig. Als wir schließlich einen Bogen und ein paar Molotov-Cocktails craften konnten, lockerte sich der Ablauf auf und machte schon mehr Spaß. Mit weiterem Fortschritt, einem Ausweichschritt, den wir lernen konnten und längeren Angriffskombos fühlte sich das Ganze noch ein bisschen besser an, sodass ich sagen würde, dass die Passage zum Anspielen nicht perfekt ausgewählt war. Denn der Spaß im Kampf kommt definitiv erst durch die besseren Waffen und Gadgets, die wir erforschen können.
Mein Eindruck
Ein großer Kritikpunkt der Metal Gear Solid Fans ist, dass das Spiel in den Trailern wie eine Mod für Metal Gear Solid V aussieht. Und auf den ersten Blick, muss man dieser Kritik eine gewisse Berechtigung einräumen. Denn im Gegensatz zum letzten Spin Off der Serie, Metal Gear Rising, hat man für Metal Gear Survive die gleiche Engine wie für Metal Gear Solid benutzt und auch an der Art, wie sich der Titel spiel,t nicht viel gedreht. Ein Zombie-Survival-Action-Game, welches auf einem Stealth Game basiert also. Tatsächlich merkt man dem Spiel auch an, dass die Engine nicht dafür gedacht ist, dass man hektisch Zombies mit einer Machete kleinhackt. Sondern für langsames, planvolles Vorgehen.
Dennoch wurde die Steuerung so gut modifiziert und die neuen Spielelemente so gut implementiert, dass man sich mit ein wenig Eingewöhnung auch in Gegnerhorden immer besser behaupten kann. Ich kann ohne mit der Wimper zu zucken behaupten, beim Anspielen von Metal Gear Survive viel Spaß gehabt zu haben. Survival Games haben den großen Vorteil, dass sie Mechaniken nutzen, die den Menschen effektiv motivieren. Es ist toll zu sehen, wie die eigene Basis wächst. Man freut sich auf jedes neue Gadget und auf jede neue Waffe, die gecrafted werden kann. Jedes Mal wenn wir einen Stuhl im Ödland herumstehen sehen, ist uns der Anblick mehr als Willkommen, da wir das Holz gut gebrauchen können. Und Zombies als Gegner funktionieren eben auch. Die Anforderungen an die KI sind gering, ihre Motivation muss nicht großartig erklärt werden und man kann sie reihenweise niedermähen ohne schlechtes Gewissen.
Mein Eindruck ist, dass Metal Gear Survive ein solides Survival-Action Spiel werden könnte. Wer ein Meisterwerk erwartet, dem es gelingt, die Fans der Metal Gear Solid Reihe zu überzeugen und im Sturm zu erobern, der wird wohl enttäuscht werden. Dafür fühlt es sich tatsächlich zu sehr nach einer (wenn auf den ersten Blick auch gut gemachten) Mod an. Wer aber die FOX-Engine sehr mag, oder noch nie ein Survival Spiel dieser Art gespielt hat, sollte dem Titel zumindest mal eine Chance geben. Oder zumindest dem Review, welches wir an dieser Stelle hoffentlich zügig nach Release folgen lassen können.
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