Wer in den Jahren 2017/18 das Familienwohnzimmer erobern möchte, hat es nicht ganz leicht. Denn auch wenn wir uns als Nation politisch in diese Richtung bewegen, ist die Zeit der Volksempfänger vorbei. Ein klassisches, deutsches Wohnzimmer ist entweder leer oder Heimat verschiedenster Bildschirme, die jeder für sich Aufmerksamkeit einfordern. Während auf der Mattscheibe „Dinner for One“ läuft, checkt Junior Twitter, Juniorette ist auf Instagram unterwegs und Vaddern versucht, es endlich hinzukriegen, über das vermaledeite Tablet die Zentralheizung zu steuern.

Hier kommt Sonys neues Rezept zur Einnahme des Wohnzimmers ins Spiel. Statt die PlayStation 4 mit den charakteristischen Controllern zu steuern, werden die Eingabegeräte bei der PlayLink Technologie durch Tablets und Smartphones ersetzt. Nach Installation einer App kann sich das Mobilgerät ganz simpel mit der PS4 verbinden und dient als Controller.

Die Vorteile liegen dabei auf der Hand: Im Gegensatz zum Dualshock, kann mit einem Smartphone mittlerweile fast jeder umgehen. Und da beinahe jeder Mensch U60 so ein Telefon besitzt, sind bei Multiplayer-Matches mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit genügend Eingabegeräte vorhanden. Zudem: Wird das Telefon von der App beschäftigt, guckt die 13jährige Tochter/Schwester/Cousine während des Spiels mal nicht nach, ob Mike Singer was bei Instagram rausgehauen hat (ein Mensch, der es mit einem Musikvideo geschafft hat, meine Fortpflanzungspläne auf unbestimmte Zeit auf Eis zu legen. Oh, the humanity!)

Wissen ist Macht punktet vor allem durch Charme und stimmungsvolle Präsentation

Wissen ist Macht

Im Gegensatz zu den derzeit fünf anderen Spielen, die durch PlayLink unterstützt werden, bedient Wissen ist Macht das Genre der Wissensspiele. Um genau zu sein, handelt es sich um ein Quiz, das mit zwei bis sechs Spielern angegangen werden kann.

Bevor es losgeht wählen wir uns einen der acht möglichen Avatare aus, die jeweils echt Hingucker sind. Besondere Highlights sind der Typ im Hot Dog-Kostüm und der schräge Zauberer mit pinker Mähne und Überbiss. Jeder Kandidat knipst noch ein Selfie, welches per Filter die Gesichtsfeatures der Spielfigur aufgepfropft bekommt.

Auch das Design der jeweiligen Stages kann mithalten. Wir betreten eine kuriose Welt irgendwo zwischen Bauklötzchentraum und Retro-Bastelshow und werden vom rollschuhfahrenden Host begrüßt. Dieser krankt leider an der gleichen latent nervigen Hyperaktivität wie viele seiner Berufsgenossen in der Gewerkschaft der Videospiel-Quizmaster, beschränkt sich aber zum Glück nach der Begrüßung weitestgehend auf die Erfüllung seines Jobs. Das ist auch gut so, denn gerade bei deutscher Sprachausgabe klaffen zwischen Ton und Lippenbewegung große Lücken.

Power-Quiz und Schadenfreude

Dann geht’s los. Dabei ist jede Quizrunde gleich aufgebaut und liefert immer die gleiche Anzahl an Fragen, eingestreut 2 Minigames und das große Finale. Vor jeder(!) der regulären Fragerunden, wird demokratisch eine Fragekategorie ausgewählt. Die Mehrheit bestimmt oder derjenige, der seinen einmaligen Joker zieht und somit freie Kategorienwahl hat. Das kann unter Umständen bereits früh im Spiel eine gute Idee sein, da ich beim Testen das Gefühl hatte, dass die Wahl einer Kategorie beeinflusst, welche Fragefelder uns in den kommenden Runden zur Auswahl gestellt werden.

Die Kategorien sind dabei weitgefasst und enthalten Fragen zu allen großen Allgemeinwissensfeldern, jedoch mit überproportional vielen Fragen zu Popkultur und Film & Fernsehen, was jedoch angesichts der wahrscheinlichsten Zielgruppe wohl eine angemessene Schwerpunktsetzung ist. Insgesamt präsentiert sich der Fragenkatalog aber angenehm vielseitig und so groß, dass man schon eine ordentliche Menge an Runden spielen muss, bevor sich die Fragen doppeln.

Wenn die Frage auf dem großen Bildschirm gestellt wurde, werden auf den Mobilgeräten die vier Antwortalternativen gegeben. Wer richtig liegt, sackt Punkte ein und wer dabei am schnellsten ist, bekommt auch die meisten. Die Fähigkeit schnell zu lesen und reagieren zu können ist angesichts des eher einfachen Fragekatalogs genauso wichtig wie das Allgemeinwissen. Lobend erwähnt sei dabei die PlayLink Connection und die App, die einwandfrei funktionierten und im Test auf keinen Mobilgerät eine Verzögerung erzeugten.

Glibber-Angriff! Der Zauberer links und die Dame mitte-rechts wurden von den Kontrahenten vollgeschleimt

Erschwert wird die Beantwortung der Fragen durch die Super-Attacken, die wir vor jeder Fragerunde auf unsere Kontrahenten loslassen können. So können wir den Bildschirm eines beliebigen Gegners etwa mit grünem Glibber überziehen, den er erst wegwischen muss bevor er antworten kann. Oder wir überziehen die Antwortalternativen der Konkurrenz mit einer Eisschicht, welche er erst durch wiederholtes Tippen aufsprengen muss. Schnell stellt sich durch diese Dynamik eine Art „Mario Kart-Effekt“ ein. Der in Führung liegende wird von allen Seiten mit Attacken eingedeckt, während die Schlusslichter unbehelligt antworten können.

Besonders stark ist dieser Effekt beim großen Finale ausgeprägt. Hier gibt es keine falschen Antworten mehr. Wenn man falsch antworten, probiert man es eben so lange, bis man die richtige Antwort gefunden hat. Dadurch werden die Super-Attacken, die eine schnelle Beantwortung der Fragen verhindern, noch mächtiger und der Führende hat nichts mehr zu lachen.

Fazit

Wer ein reines Wissensspiel sucht, wird mit Wissen ist Macht leider nicht vollkommen glücklich werden. Die Fragen sind insgesamt etwas zu einfach, sodass über Sieg und Niederlage häufig die Geschwindigkeit in der Beantwortung entscheidet. Beim Finale auf der Wissenspyramide wird dieses Prinzip sprichwörtlich auf die Spitze getrieben, wenn es keine falschen Antworten mehr gibt und es auf reinen Speed hinausläuft. Würde Wissen ist Macht nach dem unangefochten schlausten Spieler suchen, bräuchte es einen einstellbaren Schwierigkeitsgrad, damit auch ältere Spieler Kopfnüsse spendiert bekommen. Außerdem einen Wegfall der Speed-Komponente und die Möglichkeit, die Super-Attacken auszuschalten, da diese logischerweise primär den Führenden zum Ziel haben. Diese Dinge wären besonders deswegen begrüßenswert, weil man es so geschafft hätte, tatsächlich auch Eltern und Großeltern an die Konsole zu bekommen und vielleicht wirklich eine ganze Familie zu versammeln.

Das alles kann Wissen ist Macht nicht bieten. Das ist aber völlig okay so, denn der Titel möchte eher Partyspiel als Wissensabfrage sein und pfeift auf die Validität des vermeintlichen Intelligenztests. Die Super-Attacken sorgen dafür, dass die Schlaueren zwar vorne liegen mögen, sich aber nur schwerlich einen großen Vorsprung herausarbeiten werden können. Da vor jeder Frage eine Kategorie ausgewählt werden muss, wird nebenbei viel gequatscht und die vergangene Runde durchgekaut und im Finale kann auch der Außenseiter mal recht überholen, wenn er sich darauf konzentriert schnell zu sein.

Mit Wissen ist Macht bekommt man ein wirklich unterhaltsames Quizspiel, das sich weniger die Krönung des Spielers mit der größten Allgemeinbildung zum Ziel gesetzt hat, als jedem Teilnehmer bei der Beantwortung der Fragen eine gute Zeit zu bereiten.

 

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