Südkorea hat es nicht leicht. Der Nachbar von oben ist ein ziemlicher Rowdy und man kann noch nicht mal mit dem Besen an die Decke donnern, aus Angst, was einem dann auf den Kopf fallen möge. Damit nicht genug hat sich mit LEGION eine Organisatiion von Superschurken in der Hauptstadt Seoul eingenistet. Den Weltherrschaftsambitionen der dunklen Macht stellt sich nun Ex-Bösling Persephone Brimstone entgegen, die ihrerseits eine Truppe von Helden aufstellt – die Agents of Mayhem!
Ein Kessel Buntes
Klingt irgendwie abgedroschen? Ja, okay, mag sein. Feingeister werden zu Recht anmerken, dass die Handlung nicht zwingend oscarreif ist und dass auch die Tiefe der Charaktere nicht über das Niveau eines 90er Jahre-Heldencartoons hinausragen werden. Andererseits: Wie großartig war es früher bitte am Samstagmorgen früh aufzustehen (heutzutage undenkbar), den Kopf auszuschalten und unseren Helden bei ihrer Action zuzusehen? Agents of Mayhem bietet genau das: Birne aus, Action an, und statt Moralpredigten a la Captain Planet gibt es eben oft stumpf- selten feinsinnigen Humor mit bunten Helden, die ab und zu mal „Ficken“ sagen. Wer das doof findet, kann eigentlich aufhören zu lesen. In wessen Kopf jetzt eine leise Stimme „Hehe“ gemacht und versucht hat, den kleinen Lacher mit einem Hüsteln zu tarnen, der bleibe am Ball.
Apropos Ball: Was würde den durchschnittlichen Deutschen wohl dazu bringen, einer Gruppe von Anti-Terror Kämpfern beizutreten? Wer bereits den FIFA 18-Test gelesen hat weiß: Fußball! Ingo wird Zeuge, wie die Schergen von LEGION kurz vor Ende des Spiels seines Herzensclubs gegen den großen Rivalen das Feld ramponieren. Dabei fliegt der Ball unglücklich ins eigene Tor. Ganz klar, dass Ingo „Red Card“ Rotkapp die Spielfläche stürmt und im übertragenen Sinne Asche und Feuer auf die Ungläubigen hernieder regnen lässt. Noch nachvollziehbarer, dass dieser vorbildliche Einsatz dem Hooligan einen Platz bei den Agents of Mayhem verschafft.
Mit dieser und ähnlichen Origin Storys geschmückt, werden uns nach und nach unsere 12 spielbaren Agenten freigeschaltet – natürlich innerhalb ziemlich cooler Zwischensequenzen im Cartoonstil. Dabei bewegt sich die Handlung im gleichen Universum wie Saints Row– bekannte Charaktere wie Johnny Gat (für Vorbesteller oder Day-One-Edition Besitzer), mit dem man bereits durch die Hölle gegangen ist, oder Kingpin tauchen auf. Aber auch neue Charaktere wie Filmstar Hollywood, der wie eine Volition-Version von Soldier 76 aus Overwatch wirkt, oder Scheherazade, die ihren Gegnern mit Krummschwert und Wurfsternen entgegentritt, sind mit von der Partie. Eben Stereotype, die wissen, dass sie Stereotype sind und sich deswegen auch in selbstreferentiellem Humor suhlen können, was die Bande insgesamt doch ziemlich sympathisch macht.
Reden wir vom Gameplay, reden wir von einem 3rd-Person Shooter, angereichert mit individuellen Skills und – in Destiny 2 würde man es „Super“, bei Overwatch „Ult“ – Spezialangriffen, die uns zur Verfügung stehen, wenn die Mayhem-Liste gefüllt ist, und unter den Gegnern ordentlich aufräumen.
Agents of Mayhem ist ein reiner Singleplayer-Shooter. Bewegen tun wir uns aber in einem Dreier-Squad, bei dem wir auf Knopfdruck zwischen den Charakteren hin und her tauschen. Das Team können wir dabei selbst zusammenstellen, leveln auf, entwickeln neue Fertigkeiten und haben eigene Stärken und Schwächen, auf die es bei der Komposition zu achten gilt. Manche können gepanzerte Gegner besser ausschalten, andere eignen sich mehr für Crowd Control und wieder andere stechen aufgrund ihrer Buffs heraus. Durch die gut implementierten, abwechslungsreichen Rollenspielelemente können die Agents of Mayhem uns lang bei der Stange halten – etwa 20 Stunden könnt ihr einplanen, wenn ihr recht stringent der Story folgt, was ein ordentlicher Umfang ist, da die Nebenmissionen und Sammelquests nicht eingerechnet sind.
Seoul lala
Können die Storyelemente mit lustigen Einfällen und humoristischen Dialogen glänzen (wie gesagt: Geschmackssache), sind die Quests an sich repetitiv und eher auf frühem MMO-RPG Level „Tötet X“, „Zerstört dies“, „Besiegt alle Feinde“ sind die Ansagen, an die ihr euch gewöhnen werden müsst. Häufig genug finden wir uns dabei in recht detailarmen, unterirdischen Arealen wieder und ballern uns durch einen Schlauch, um zum Ziel zu kommen. Bedauerlicherweise werden wir immer wieder in solche Laboratorien gesteckt – immerhin die Belohnungen sind nicht ohne, schalten wir so doch neben neuen Arealen auch mächtige Technologie der Widersacher für uns frei, die unsere Agenten ein gutes Stück auf dem Weg zum Helden voranbringen.
Seoul als Spielplatz wartet mit Licht und Schatten auf. Mit der im Open World Genre vergleichsweise kleinen Welt habe ich kein Problem – ganz im Gegenteil, warum die Maps in heutigen Spielen so riesig sind, werde ich wohl nie verstehen. Auf diese Weise ist die gesamte Stadt schön designed, ist wie seine Helden bunt und nicht so austauschbar wie die Kulisse anderer Spiele. Schade ist jedoch, dass es leider nicht besonders viel Freude bereitet, sich in ihr zu bewegen. Da fallen bereits damals zur Xbox 360 Ära zwei, leider indizierte, Spiele ein, die das Moveset der Protagonisten so ausgelegt haben, dass allein die Fortbewegung rasch von statten geht und sich darüber hinaus auch noch äußerst belohnend anfühlt.
In Agents of Mayhem springen wir mehr oder weniger geschickt herum und fühlen uns ein bisschen lahm. Klar können wir uns ein Fahrzeug krallen oder bei Kollege Quartermile einen Boliden erstehen. Dann können wir allerdings nicht die Schatztruhen oder die 350 Kristallsplitter einsammeln, die in der Stadt verstreut sind. Abgesehen davon gibt es aber leider nicht viel zu tun in Seoul. Die wenigen Passanten bieten keine Interaktionsmöglichkeiten und sind eher Kulisse als Bewohner. Zudem wäre es doch schön gewesen, wenn man in einem Spiel mit dem Namen „Agents of Mayhem“ auch die Stadt ein klein wenig in Schutt und Asche hätte legen können. Ja ich weiß, wir sind eigentlich die Guten. Aber das hat Zack Snyders Superman auch nie aufgehalten.
Fazit:
In Agents of Mayhem wird scharf geschossen. Seien es die verschiedensten Schießeisen der 12 spielbaren Agenten oder der manchmal zotige, manchmal derbe, manchmal feine Humor, den Volition bereits mit der Saints Row Serie unter Beweis stellen konnte. Dieser Humor ist die Schwelle, die jeder Spieler wird überschreiten wollen müssen. Er ist Herz und Seele von Agents of Mayhem, und wenn dieser euch auf den Sack geht, oder ihr findet dass das Wort „Sack“ weder in einem Shooter noch in einem Testbericht etwas zu suchen hat, werdet ihr wohl nicht glücklich.
Könnt ihr euch mit dem Ton der Spiels, seiner comichaften Optik und den cool gezeichneten Zwischensequenzen anfreunden erwartet euch ein repetitives, aber doch motivierendes Spiel, dessen Fokus ganz klar auf der Persönlichkeit der Agenten, deren Aufrüstung und Individualisierungsmöglichkeiten liegt. Weniger stark präsentiert sich der Titel in puncto spielerischer Abwechslung und der Inszenierung einer lebendigen Spielwelt. Würden sich jedoch Blizzard mit Overwatch und Volition mit Agents of Mayhem zusammentun – oh welch Perle von einem Singleplayer-Shooter würde uns erwarten!