Willkommen bei den Orks
Was war es für ein Feuerwerk, als die Geschichte um den Kampf von Mittelerde von einer ganz anderen Perspektive gezeigt wurde. In „Schatten von Mordor“ war es die Symbiose zwischen dem Waldläufer Talion und der geisterhaften Erscheinung des mächtigen Elbenschmieds Celebrimbor. Selbiger war mit verantwortlich für die Schaffung der Ringe und den damit verbundenen Machtzuwachs von dem schrecklichen Sauron. Der erste Teil, der zeitlich gesehen zwischen „Der Hobbit“ und „Der Herr der Ringe“ anzusiedeln ist, schliesst direkt an die vorherige Erzählung an. Talion und Celebrimbor ist es gelungen, einen neuen, einzigartigen Ring zu schaffen. Damit möchte der Elbenschmied die Macht über Mittelerde für sich beanspruchen. Dumm, dass Talion das gar nicht interessiert und er deshalb den Ring nutzt, um den Schmied bei der Spinne Kankra freizukaufen.
Gestärkt durch den neuen Ring verschwindet diese und die beiden müssen wieder eine Symbiose eingehen, damit der Ring für den Kampf gegen Sauron genutzt werden kann.
Man merkt schon in der Vorgeschichte, dass hier ordentlich Kino gemacht werden will. Zwar ist es nicht schlimm, wenn man den Vorgänger nicht gespielt hat, es ist jedoch von Vorteil. Minimum ist natürlich, dass man sich schon einmal mit Mittelerde auseinandergesetzt hat und den Unterschied zwischen Elfen und Elben kennt. Wie sonst soll man wissen, dass man einem Balrog besser aus dem Weg gehen sollte?! Dieser und viele weitere bekannte Monster und Schurken sind dieses Mal Teil der Fortsetzung. Waren es vorher noch namenlose oder unbekannte Orkhäuptlinge, bekommt man es jetzt mit dem Hexenkönig und seinem Gefolge zu tun. Auch Größen wie die bereits erwähnte Kankra und das Feuermonster Balrog kreuzen unsere Wege, um uns an der Vernichtung von Sauron zu hindern.
Ich bin Batman!
Die Spielmechanik als solches ist recht ähnlich und man findet sich ziemlich schnell in den Abläufen zurecht. Zu Beginn wird man an die Möglichkeiten der verschiedenen Attacken und dem Aufbau des Charakters herangeführt, ohne dass es zu sehr wie ein Tutorial wirkt. Mit stetigem Erfahrungswachstum erhalten wir immer bessere Fähigkeiten, die uns zum Beispiel das lautlose Schleichen verbessern oder uns gewisse Boni im Kampf bescheren. Ähnlich wie schon vorher kann man sich so Talion zurechtbasteln und nach seinem eigenen Spiel justieren. Natürlich gibt es auch wieder Ausrüstung, die man mit Juwelen aufbohren kann, um so bessere Stats oder weitere Boni zu erhalten. Man mag schon fast sagen, dass es gar nicht allzu neu ist. Doch der erste Eindruck täuscht enorm und zeigt mit jedem weiteren Schritt in Mittelerde, dass Schatten von Mordor nur die Spitze des Eisberges sein sollte. Monolith hat alle guten Eigenschaften von anderen Open World Spielen, wie Batman oder Assassins Creed genommen und diese sinnig zu einem Spiel verschmolzen und um endlich sinnvolles Nemesis-System erweitert. Zwar gab es das alles vorher schon. Mittlerweile erscheint alles noch viel größer und vor allem ausgereifter. Das Nemesis-System, wie es bei „Schatten von Mordor“ genutzt wurde war ein netter Anfang. Gegnerische Ork-Häuptlinge mit ihren Stärken und Schwächen konnten für die eigenen Zwecke genutzt werden. Vor allem haben sie sich auch das eigene Kampfverhalten gemerkt und waren so für die eine oder andere Überraschung gut. Im weiteren Verlauf ist es umso essentieller, sich mit den großen Orks vertraut zu machen, da sie teilweise spielentscheidend sein können.
Wer soll dein Herzblatt sein?
Hat man einen der Anführer besiegt, kann man ihn unterwerfen und fortan für sich kämpfen lassen. Beschränkte sich das Ganze vorher auf wenige Möglichkeiten könnt ihr euch jetzt sogar einen eigenen Ork als Leibwächter halten. Verbunden mit dessen Spezialfähigkeit erweist sich der ein oder andere Kampf als äußerst entspannt. Dies kann zum Beispiel ein effektiver Fernangriff sein, der euch aus der Deckung unterstützt. Ihr könnt euch aber auch für buchstäbliche Feuerkraft entscheiden, die euch den Weg zu Sauron freimacht. So baut ihr euch nach und nach eine regelrechte Armee auf. Und glaubt mir, diese werdet ihr auch brauchen. Denn „Schatten des Krieges“ will eines definitiv: seinem Namen gerecht werden. Das Hauptaugenmerk liegt auf der cineastischen Darstellung von riesigen Schlachten, wie die um Gondor aus „Die Rückkehr des Königs“. Und dies erreicht man eben nur mit einer ordentlichen Armee. Jedes Gebiet, dass ihr auf euren Streifzügen durchkreuzt, wird von einer Festung regiert. In dieser haust ein besonders fieser Oberhäuptling, den es zu stürzen gilt. Wie es sich gehört könnt ihr nun eure Armee ins Rennen schicken und eine ordentliche Belagerung durchführen. Gemütlich schaut ihr dann zu, wie die Orks sich ordentlich einen auf die Mütze geben und so ein Eindringen in die Festung erleichtern. Euch stehen dafür auch leichte taktische Möglichkeiten zur Verfügung, wenn ihr zum Beispiel einen kleinen Trupp los schickt, um die Fernverteidigung auszuschalten. Habt ihr dann alles niedergemäht wartet der Boss mit seiner Spezialfähigkeit auf euch, um seinen Platz in der Hierarchie zu verteidigen.
Darf’s ein bisschen mehr sein?
Gerade am Anfang bleibt einem gerne mal die Kinnlade hängen, wenn aus dem Nichts ein ordentliches Monster euren Weg versperrt und ihr ordentlich Fersengeld geben müsst. Doch je weiter ihr kommt, desto „bekannter“ wird alles und war schonmal irgendwie da. Das Sammeln von Gegenständen und Artefakten gehört diesmal auch wieder dazu. So könnt ihr Fragmente von Kankra finden, die ihre Geschichte erzählt. Aber auch gondorianische Artefakte oder Illith-Runen gilt es zu finden, damit man weitere Gegenstände zur eigenen Aufwertung erhält. Ihr habt aber auch die Möglichkeit, beim Suchen und Erlangen von Boxen auf neue Ork-„Freunde“ zu stoßen, die euch im Kampf zur Seite stehen. Wer keine Lust hat, sich auf eine anstrengende Suche, nach dem perfekten Ork-Partner zu machen, kann dafür auch echtes Geld auf den Tisch legen. Die schon im Vorfeld heiß diskutierte Möglichkeit der Mikrotransaktionen im Spiel sorgte für ordentlichen Zündstoff. Und ja…es ist definitiv nicht von der Hand zu weisen, dass es nicht unbedingt förderlich ist. Kann man es im Singleplayer hinnehmen, wenn man den Abspann schneller sehen möchte und deshalb Geld investiert, so macht es sich beim Multiplayer schon bemerkbar. Hier kämpft ihr gegen Festungen von anderen und kommt natürlich um einiges weiter, wenn ihr eine bezahlte Truppe habt, als wenn ihr sie euch mühsam über das Spiel zusammengesucht habt. In Anbetracht dessen, dass es bei einem Vollpreistitel eigentlich nicht nötig sein sollte, bekommt man gute Möglichkeiten, sich Vorteile zu erkaufen. Wer darauf verzichten kann hat zumindest im Singleplayer einiges mehr von dem Spiel. Schliesslich kann man alles auch über Looten finden und so ordentlich vorankommen.
Da schaut selbst Smaug nicht hin
Der Spielverlauf als solches ist zwar insgesamt größer und komplexer, als es bei „Schatten von Mordor“ war. Dennoch gibt es einige Schwachstellen im Spiel. Zum einen ist das Erkunden und Entdecken der möglichen Gegenstände nicht nur zeitaufwändig sondern auch nervig. Teilweise müsst ihr längere Abschnitte durchlaufen, um an eurem Ziel anzukommen. Da ist es schon komfortabel, wenn man sich einen Caragor zugelegt hat. Ansonsten sprintet man durch die Gassen über Wände und Türme. Glücklicherweise sind die gewöhnlichen Orks, die euch zu Hauf über den Weg laufen, nicht so schnell, als das sie euch gefährlich sein könnten. Doch geratet ihr in das Visier eines Häuptlings muss man sich erst seine Vorstellung ansehen, bis man ihn dann links liegen lassen kann, um weiter nach Kankras Fragment zu suchen. Auch die Präzision im Kampf oder bei der Bewegung ist nicht optimal. Zwar erkennt man Verbesserungen zu vorher, jedoch ist da noch Potenzial vorhanden. Wird es im Kampf mit mehreren Gegnern ungemütlich, verfliegt auch die korrekte Zielauswahl, so dass ihr oft jemanden angreift, den ihr euch vielleicht noch aufheben wolltet. Es kommt aber auch gerne vor, dass ihr auf freundliche Einheiten eindrescht, obwohl sie euch nur unterstützen wollten. Beim Flug durch die Gassen bleibt Talion oft an Mauern hängen oder macht auch da nicht wirklich das, was er soll. Drückt ihr im falschen Moment fliegt ihr in die falsche Richtung oder macht eine Bewegung weg von der Mauer. Hier kann man bei einem möglichen dritten Teil der Reihe bestimmt noch ausbessern.
Fazit
„Wieder ein Ring, um uns alle zu knechten“ könnte ein passendes Fazit zu „Mittelerde: Schatten des Krieges“ sein. Der erste Teil war schon eine ziemlich gute Portierung von Batman: Arkham City in die Fantasy Welt von J.R.R. Tolkien. Mit den spürbaren Verbesserungen im Bereich der Größe und Komplexität hat Monolith ganz eindeutig einen würdigen Nachfolger geschaffen. Die Gebiete sind riesig und vielzählig und bieten, jedes für sich, eine ordentliche Atmosphäre. Vor allem das erweiterte Nemesis-System hat jetzt eine richtige Daseinsberechtigung. Zwar war es vorher alles ganz nett mit dem Befehligen von Orks. Doch jetzt ist es essentiell für das weitere Vorankommen im Spiel. Vor allem laufen die besiegten Krieger nicht blöde umher sondern können sinnig bei Belagerungen oder Spezialmissionen genutzt werden. Große Gebiete sind natürlich beim Looten eher nicht von Vorteil, bringen sie jedoch sehr viel Interessantes zur Story zu tage. Ganz nebenbei baut man sich sein Inventar ordentlich auf und erhält Fähigkeitenpunkte zur Verbesserung. Die Geschichte mit den Mikrotransaktionen im Spiel mag zwar ein nicht so schönes „Geschmäckle“ haben, jedoch stört es beim Spiel alleine nicht wirklich und muss auch nicht genutzt werden. Vielleicht war da doch der Aufschrei größer, als es sein sollte?! Nervig ist es auf jedenfall bei den Multiplayerspielen, wenn einem eine Top Armee die Festung zerdeppert und man so unnötig in der Rangliste Plätze einbüsst. Auch wenn es bei Herr der Ringe um Teamplay geht, so liegt der Hauptaugenmerk auf dem Solo Spiel. Dies ist eindeutig gelungen und beschert nicht nur Fans einige interessante Stunden in Mittelerde!