Fußball ist und bleibt König in Deutschland. Wer sich in Dortmund, Hamburg oder Frankfurt an einem Samstag in der Innenstadt aufhält, wird allenthalben von bunten Trikots und dezenten bis eindrucksvollen Fahnen aller Aggregatszustände gegrüßt. Im Vergleich dazu ist Football in Deutschland, wenn auch auf dem Vormarsch, noch eine Randerscheinung. Der Superbowl Sonntag hat schon Einzug in unsere Wohnzimmer gefunden, die reguläre Season jedoch entzieht sich noch der Aufmerksamkeit der breiten Masse.
Ganz und gar nicht verstecken musste sich in den letzten Jahren dagegen der virtuelle Football. Jedes Jahr wachsen die Verkaufszahlen von Madden NFL in Deutschland und jedes Jahr wird die Simulation von ‘muricas Sport No. 1 runder und kompletter.
Madden NFL 18:Tuning im Detail
Ständig steigende Qualität ist in einer Videospielreihe wünschenswert aber keineswegs selbstverständlich. Pro Evolution Soccer musste nach dem fast perfekten PES 6 zunächst durch eine Phase der Selbstfindung gehen bevor es sich wieder auf hohem Niveau stabilisieren konnte und auch FIFA hat sichtlich Mühen an kleinen Schrauben im Gameplay zu drehen, ohne anderorts große Baustellen zu eröffnen.
Madden NFL18 gibt sich beim diesjährigen Übergang zur Frostbite Engine keinerlei Blöße. Optisch hat man eine halbe Schippe drauflegen können und die physikalisch korrekten Kollisionen der Spieler sind über jeden Zweifel erhaben. Das spielerische Gerüst des Vorgängers wurde bewahrt und das ohnehin schon sehr runde Rad nicht neu erfunden. Die im letzten Jahr eingeführten Jukes wurden in ihrer Effizienz etwas heruntergeregelt, fühlen sich aber dennoch geschmeidiger an. Dafür wurde die KI-Defense gestärkt und adaptiert den Spielstil der Offense schneller, sodass man nicht mehr so einfach mit den gleichen Bauerntricks punkten kann. Anfänger sollten bei der Ansage von Spielzügen auf die Vorschläge des Coaches hören bevor sie sich als Fortgeschrittene wie ein bockiger Teenager emanzipieren und eigene Spielzüge durchsagen, um so die Stärken des jeweiligen Teams optimal bedienen zu können. Insgesamt hat Madden NFL 18 auf dem Feld seine Mitte gefunden und muss nur noch Feintuning betreiben.
It’s a Longshot
Abseits des Platzes ist man dem Trend von NBA 2K und FIFA gefolgt und baut mit Longshot einen kleinen, etwa vier- bis fünfstündigen Storymodus ein. Auf dem Papier liest sich dieser auch stattlich. Mahershala Ali spielt den Vater unseres Alter Egos, den talentierten jungen Quarterback Devin Wade und Gastauftritte von Stars wie Legende Dan Marino runden den Cast ab. Die „Guten“ sind sympathisch geschrieben, die „Bösen“ angenehm Hassenswert. Auch die Geschichte an sich ist einnehmend. Junger Mann erlebt Schicksalsschlag, wird Teil einer Castingshow und möchte sich den Traum erfüllen, in der NFL zu spielen.
So weit so gut. Während man jedoch in The Journey, dem Storymodus von FIFA neben der Geschichte auch einen gehörigen Teil der Zeit auf dem Spielfeld verbringt, werden wir in Longshot viel zu sehr auf die Tribüne verbannt und schauen zu. Hier zwischen zwei Dialogoptionen wählen, dort mal ein Quicktime Event oder ein Minispiel, und das höchste der Gefühle ist ein 5 vs 5 spielen. Während wir zwar interessiert waren an der Geschichte, stellte sich bald Monotonie ein, da es de facto so wenig zu spielen gibt. Deutlich wird, dass die Geschichte um Devin Wade noch nicht abgeschlossen ist und Madden NFL 19 wohl die Fortsetzung bieten wird. Aber ein bisschen mehr Sportspiel und ein bisschen weniger Telltale hätten wir uns auch jetzt schon in Madden NFL 18 gewünscht.
Fazit:
Madden NFL 18 nimmt sich das sehr gute Vorjahrsprodukt, feilt ein paar Kanten noch runder, lackiert auch die Unterseite und hängt uns noch ein Duftbäumchen an den Rückspiegel. Das Ergebnis ist ein Sportspiel, bei dem wir im Gameplay Detailverbesserungen erleben, die Sinn ergeben und perfekt funktionieren. Gelegenheitsspieler werden spielerisch jedoch nicht viel Neues entdecken und wer mit Madden 17 nichts anfangen konnte, der wird vom Diesjahresmodell vermutlich ebenfalls nicht missioniert werden. Dies mag negativ klingen, soll jedoch nur zum Ausdruck bringen, dass man so nah am perfekten Footballsiel ist, dass einfach keine Quantensprünge mehr zu erwarten sind.
Die auffälligste Neuerung ist die Story im Longshot-Modus. Dieser ist toll inszeniert, überraschend gutgeschrieben, wartet mit sympathischen Charakteren auf – und vergisst dabei ein bisschen das Spielerische. Wenigstens ein Spiel über vier Viertel hätte es schon sein dürfen! Dennoch würde ich lügen würde ich behaupten, dass ich an der Fortsetzung der Geschichte um Devin Wade nicht interessiert bin.