Deutsche Spieleproduktionen auf internationalem Niveau sind selten. Mimimi Productions, ein junges Entwicklerteam aus München, ist dabei das zu ändern. Für ihr Spieledebüt daWindci wurden sie 2012, als erstes deutsches Studio überhaupt, mit dem Apple Design-Award ausgezeichnet. Das darauf folgende Action Adventure The Last Tinker konnte auf PS4/Xbox One als Achtungserfolg verbucht werden. Für ihren aktuellen Titel, Shadow Tactics: Blades Of The Shogun, wäre das eine glatte Untertreibung. Mit reichlich Kritikerlob versehen gelang der PC Version Ende 2016 der Sprung auf Platz 1 der internationalen Steam Charts. Mitten in den Arbeiten zur Konsolenumsetzung der Taktik Knobelei fand Gamedesigner Dominik Abè Zeit sich über die Studiogründung, den Spiele Standort Deutschland und japanische Ninjas zu unterhalten.

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Statt Euch zunächst bei einem etablierten Studio erste Sporen zu verdienen seid Ihr direkt mit einem eigenen Start-Up in die Branche eingestiegen.

Eigentlich war der Plan nach dem Studium zunächst Erfahrung in der Branche zu sammeln. Spieleentwicklung kostet eine Menge Geld. Junge Unternehmen ohne nachweisbare Erfahrung stehen schnell vor dem Problem, dass Investoren kein Kapital zur Verfügung stellen. Wir wurden jedoch etwas von unserem eigenen Erfolg überrannt. Für ein Zweitsemester Projekt haben wir erstmals gemeinsam an einem Prototyp gearbeitet. Das Spiel hieß Grounded und war nach nur vier Wochen fertig. Prompt erhielten wir dafür den Nachwuchs Entwicklerpreis. Noch vor unserem Abschluss hatten wir mit daWindci für iOS und Android bereits das erste Spiel veröffentlicht. In dieser Zeit entstand auch die Idee zu unserem späteren PS4/Xbox One Titel The Last Tinker. Mit diesem tollen Team waren die Voraussetzungen für eine Studiogründung perfekt, so dass wir mit 4000 Euro Startkapital plus 80 000 Euro Gründungszuschuss vom FilmFernsehFonds Bayern den Sprung ins kalte Wasser wagten.

Mutig zumal Deutschland, was die Spieleindustrie angeht, den Status eines Entwicklungslandes hat.

In Japan sind Videospiele seit langem Kulturgut, während in den USA einfach die größeren Investoren sitzen. Deutschland zieht bei beiden Aspekten langsam nach. Gerade erst wurden beispielsweise die Fördermittel für Games durch den FilmFernsehFonds Bayern auf rund 1,3 Millionen Euro angehoben. Für 2018 ist eine weitere Anpassung auf 1,9 Millionen Euro vorgesehen. Auch wenn immer noch Welten zu den Beträgen welche im Filmgeschäft zur Verfügung gestellt werden liegen, ist das eine positive Entwicklung und wichtiges Statement. Wir haben aber noch einen langen Weg vor uns, bis wir sowohl wirtschaftlich als auch kulturell einen international vergleichbaren Standard erreicht haben, wie beispielsweise die Kollegen in Polen.

Solange werden Videogames entweder als Kinderspielzeug verstanden oder bei jeder Gelegenheit für Gewalttaten verantwortlich gemacht.

Games hatten es hier lange Zeit sehr schwer ernst genommen zu werden. Gerade Big Budget Produktionen tragen das Stigma stupider Gewaltorgien, dabei hat sich das Medium längst weiterentwickelt. In der öffentlichen Diskussion fehlt es vielen immer noch an Fachwissen. Ein Grund dafür ist wahrscheinlich, dass Games oft schwieriger zu konsumieren sind als etwa Filme oder Bücher. Wer nicht damit aufgewachsen ist hat dadurch oft Probleme oder Berührungsängste sich echte Spielerfahrung anzueignen. Aber all das ändert sich langsam. Die ersten Gamer-Generationen haben mittlerweile selber Familie, Spiele wie Counterstrike (mittlerweile offizieller eSport) werden nicht mehr regelmäßig zum Sündenbock für Amokläufe gemacht und Pokémon Go ist deutschlandweit zum Phänomen geworden. So bahnen sich Games langsam aber stetig ihren Weg in die Mitte der Gesellschaft und erfahren hoffentlich bald ihre Anerkennung als Kunstform.

Womit es dann auch leichter werden dürfte Investoren zu finden die Computerspiele finanzieren.

Verglichen mit Publishern wie EA gibt es in Deutschland nicht viele große Investoren, daher gestaltet sich die Suche nach Finanzierungs- und Projektpartnern immer schwierig. Das von uns kalkulierte Budget für Shadow Tactics kam hierzulande nur für eine Handvoll Geldgeber in Frage. Dabei sprechen wir über einen winzigen Bruchteil von dem was zum Vergleich etwa ein GTA V für Produktion und Marketing verschlingt.

Die Auszeichnungen beim Deutschen Entwicklerpreis 2016 ist ein zusätzlicher Türöffner.

Darüber freuen wir uns natürlich riesig, zumal wir überhaupt nicht damit gerechnet haben. Wir bemühen uns bei jedem Projekt einen sehr hohen Qualitätsstandard zu erreichen wissen aber auch, dass wir ein kleines Studio sind das sich quantitativ nicht mit den großen AAA Entwicklern wie Crytek messen kann. Gerade deshalb ist es extrem wichtig, die richtigen kreativen, aber auch wirtschaftlichen Entscheidungen zu treffen. Dass wir beim Entwicklerpreis unter anderem als bestes Deutsches Studio prämiert wurden sehen wir daher als große Anerkennung an.

Umso überraschender, dass Du den „Best Game Design“ Award für Shadow Tactics, bei der Gala des Deutschen Computerspielpreises im April, zunächst ohne Begründung abgelehnt hast.

In den Tagen vor der Preisverleihung haben sich Informationen aus zuverlässigen Quellen verdichtet, die darauf hinwiesen, dass es zu Unstimmigkeiten beim Hauptjury-Wahlverfahren des DCP 2017 gekommen ist. Dies betrifft zum einen die Durchführung der Wahl selbst zum anderen gibt es ernstzunehmende Bedenken, dass die Wahl durch die Hauptjury einer vernünftigen Auseinandersetzung mit den eingereichten Spielen nicht gerecht wurde. Da wir bei der Wahl nicht anwesend waren, liegt es an den drei Ausrichtern und der Hauptjury, gemeinschaftlich zu klären, in welchem Umfang diese Aussagen korrekt sind. Wir haben kein Interesse daran, dem DCP zu schaden. Es stand für uns jedoch nicht zur Debatte, einen Preis anzunehmen der eventuell nicht korrekt und fair vergeben wurde.

Kommen wir zu Eurem aktuellen Titel, Shadow Tactics: Blades Of The Shogun, der  dem totgesagten Genre der 90er Jahre Taktik Spiele wieder Leben einhaucht.

Nach The Last Tinker hatten wir eine Reihe Konzepte die wir verschiedenen Publishern vorgestellt haben. Eines davon war eine Idee mit der wir schon während dem Studium gespielt haben: „Commandos mit Ninjas“. Das wollten wir schon immer mal machen und der Zeitpunkt schien genau richtig. Das Genre ist legendär für seinen hohen Schwierigkeitsgrad da kam es uns zu Gute, dass in den letzten Jahren die Nachfrage nach herausfordernden Games stark gestiegen ist. Auch der Hamburger Publisher Daedalic hat dieses Potential schnell erkannt und sich dazu entschieden mit uns gemeinsam das Projekt zu realisieren.

Parallelen zu Commandos bzw. Desperados werden also erst gar nicht von der Hand gewiesen?

Wir sind alle große Fans des Genres. Gerade das aller erste Commandos ist eines dieser Spiele das mich als junger Zocker nicht mehr losgelassen hat. Jetzt quasi den spirituellen Nachfolger entwickeln zu dürfen war einfach nur ein Traumprojekt für mich. Wir alle wollten einen würdigen neuen Eintrag in das Genre liefern, daher waren wir sehr vorsichtig welche Teile der „Commandos-Formel“ wir anpassen. Eines der Probleme der früheren Games war die geringe Einsteigerfreundlichkeit. Das wollten wir dringend verbessern.

Was Euch vor allem in Bezug auf den Steuerungskomfort gelungen ist.

Bedienung und User Interface mussten wir stark an moderne Standards anpassen. Viele wichtige Aktionen für die man früher mehrere Eingaben machen musste lassen sich bei uns intuitiv mit nur einem Klick erledigen. Dabei verliert das Spiel jedoch nicht Komplexität, was uns extrem wichtig war. Außerdem haben wir lang daran gearbeitet wie die KI den Spieler sieht und was er dagegen tun kann. Wenn man den Sichtkegel eines Gegners betritt kann man genau sehen, wie viel Zeit man noch hat bis man entdeckt wird. Zusätzlich gibt es einen Zeitlupen Modus, der einem das Reagieren in solchen Momenten erleichtert. Unbedachtes Vorgehen wird trotzdem hart bestraft. Wie für das Genre üblich kann man jederzeit seinen Spielstand speichern und laden. Gerade Spieler der jüngeren Generation sind das manuelle Speichern nicht mehr wirklich gewohnt. Da es aber zu unserem Core Gameplay gehört, blenden wir am oberen Bildrand einen kleinen Timer ein der anzeigt wann man das letzte Mal gespeichert hat. Ehrlich gesagt hätten wir nicht damit gerechnet, dass dieses Feature in so vielen Reviews erwähnt wird, aber es kommt wohl sehr gut an. Und wer es trotzdem richtig Oldschool haben will, kann den Timer jederzeit im Optionsmenü ausschalten.

Die Handlung spielt im Japan des 16. Jahrhunderts. Nun liegt München weit entfernt vom Land der aufgehenden Sonne, wie kam es zum fernöstlichen Setting?

Einige Teammitglieder sind sehr große Japan-Fans, aber der eigentliche Grund war, dass wir uns sofort in die Idee von „Commandos mit Ninjas“ verliebt hatten. Das erschien uns für ein Schleichspiel noch passender als Spezialeinheiten im zweiten Weltkrieg zu kommandieren. Damit stand Japan für uns von Anfang an fest.

Was zunächst wohl intensive Recherchen bedeutet um ein authentisches Ambiente in Bezug auf Waffen, Architektur etc. zu schaffen?

Neben viel Literatur und Referenzmaterial, das wir uns für dieses Projekt beschafft hatten, wurden wir zusätzlich von einem Berater des Japan-Zentrums der LMU München unterstützt. Auch Filme waren eine wichtige Inspirationsquelle. Wir haben uns sowohl westliche Produktionen, etwa James Clavell’s Shogun, als auch die Klassiker des Asia Kinos angesehen, Filme wie Seven Samurai, Zatoichi und 47 Ronin.

Ihr orientiert Euch aber nicht starr an historischen Fakten sondern erzählt eine fiktive Story?

Auch wenn uns historische Ereignisse und Überlieferungen stark inspiriert haben, sind sowohl Charaktere als auch die Geschichte unserer eigenen Feder entsprungen. Die Edo Periode ist voll von Intrigen, Verrat und Rebellion aber auch gesellschaftlichen Konflikten, wie etwa die sich verändernde Rolle der Samurai. Wir wollten diese Themen mit unseren Charakteren behandeln und gleichzeitig eine spannende Geschichte im alten Japan erzählen. Dabei zu jedem Zeitpunkt so authentisch wie möglich zu sein, war uns sehr wichtig.

Im Gegensatz zu „modernen“ Stealth Titel wie beispielsweise Dishonored wird Shadow Tactics in der isometrischen Perspektive dargestellt. Wie beeinflusst dies das Spielerlebnis?

In Dishonored ist der Spielercharakter sehr mächtig, dafür werden durch die Ego Perspektive wichtige Informationen vorenthalten: Was erwartet mich hinter der nächsten Ecke? Hat mich die Wache grade gesehen? Wer macht diese Schritte die ich höre? Diese Fragen machen das Erkunden der verschiedenen Schauplätze interessant. Shadow Tactics funktioniert genau umgekehrt. Alle wichtigen Orte und Personen sind von Anfang an sichtbar, dafür werden die Charaktere von der gegnerischen Übermacht schnell überwältigt. Der Spieler wird vor schwere Aufgaben gestellt und die Spannung entsteht dadurch herauszufinden wie man, mit den zur Verfügung stehenden Charakteren, die Mission bewältigen kann. Das mag zunächst nicht besonders spannend klingen, hat man sich erstmal daran gesetzt fesselt das Spielprinzip jedoch sofort mit seinem ganz speziellen Charme.

Echtzeit Strategie Spiele sind für die Maus/Tastatur Steuerung prädestiniert. Lässt sich das Spielgefühl überhaupt adäquat auf einen Controller umsetzen?

Wir wussten, dass Shadow Tactics auch für Konsolen erscheinen wird, darum haben wir die Gamepad-Steuerung von Anfang an mitbedacht. Die Charaktere direkt mit dem Analogstick zu steuern fühlt sich anders, aber auf keinen Fall schlechter an als ihnen per Maus und Tastatur Befehle zu erteilen. Wir wollten natürlich, dass sich beide Steuerungsvarianten so intuitiv wie möglich spielen und so kommt die Gamepad-Steuerung auch jetzt schon bei PC Spielern sehr gut an.

Ich hatte den Eindruck dass die PC Version, vermutlich aufgrund der komplexen KI, gehörigen CPU Hunger hat. Sind diesbezüglich Einschränkungen auf den Konsolen zu befürchten?

Wir sind gerade dabei das Spiel stark zu optimieren, damit es ohne spürbare Abstriche auf den Konsolen erscheinen kann. Ein Vorgang der mehr Zeit und Kraft in Anspruch nimmt, als man sich vorstellen mag.

Bekommt die Konsolenversion zusätzliche Inhalte spendiert?

Grundsätzlich werden alle Versionen inhaltlich gleich sein und es wird keine Plattform exklusiven Inhalte geben. Wir haben aber noch ein paar Sachen für Shadow Tactics im Ärmel.

Klingt stark nach einem DLC oder zweiten Teil?

Natürlich wird seitens der PC Spieler bereits nach zusätzlichen Inhalten oder einem Nachfolger gefragt, was uns sehr freut. Zu Erweiterungen oder einem Nachfolger gibt es aber leider nichts, was wir aktuell öffentlich kommunizieren können.

Wir bedanken uns bei dem freien Journalisten Andreas Purzer für die exklusive Bereitstellung des Interviews! Shadow Tactics erscheint am 28. Juli für PS4 und Xbox One!

[pricemesh]

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