Fire Emblem Fates hatte in den Regalen kundiger 3DS-Besitzer noch nicht einmal Zeit gehabt in Würde anzustauben, da steht mit Fire Emblem Echoes: Shadows of Valentia bereits der nächste Serienteil in den Elektronikmärkten (ältere Leser werden sich an diesen Gebäudetyp erinnern).
Wenn ich jetzt noch sage, dass es sich bei Fire Emblem Echoes um das Remake eines 25 Jahre alten NES-Titel handelt, mag sich beim ein oder anderen Spieler ein wenig Müdigkeit breitmachen. Echoes ist jedoch mitnichten ein lauer Aufguss eines ollen Spiels. Der Titel besinnt sich zwar einerseits auf das Kerngeschäft der Rundenstrategie, andererseits werden neue Features in die Serie integriert und dem Erzählen einer Geschichte wird ein größerer Raum gelassen.
Das Schicksal ist ein mieser Verräter
Serientypisch erzählt Fire Emblem Echoes die Geschichte eines großen Krieges zweier Nationen, seiner Helden und Schurken. Im Fokus von Echoes steht jedoch in erster Linie die Beziehung der beiden Protagonisten: Alm und Celica.
Im Gegensatz zu bsp. Fire Emblem Fates können wir unseren Hauptcharakter also nicht in einem kleinen Editor selbst zusammenpuzzlen, sondern werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Die kleine Note an Individualisierung wird für einen guten Zweck geopfert. Blieb der nohrische Königssohn in Fates charakterlich weitgehend blass, kann man in die Geschichte um Alm und Celica wirklich mitfiebern.
Die beiden Sandkastenfreunde wachsen gemeinsam in einem kleinen Dorf auf, bis das Schicksal in Form marodierender Ritter sie findet und ihre Wege sich trennen. Während Alm sich der Widerstandsarmee anschließt und der Tyrannei des nördlichen Königreichs mit dem Schwert entgegentreten möchte, entscheidet sich Celica für den spirituellen Weg und unternimmt eine Pilgerreise, um die Schutzgöttin des Königreichs Zofia um Hilfe zu bitten. Wir verfolgen zunächst abwechselnd die Geschicke der beiden, die sich selbstverständlich im Laufe des Spiels zu einem gemeinsamen Schicksal verflechten.
Natürlich reden wir hier nicht von meisterlich geschriebenen Tarantino-esquen Charakteren. Alm und Celica sowie ihre Getreuen bewegen sich eher auf guten Soap-Niveau. Dialoge sind häufig pathetisch bis kitschig und wenn man ganz offen ist, sieht man den großen Storytwist mit Anlauf kommen. Die Geschichte entfaltet sich wie einer der zahlreichen Fantasyromane, die uns in Buchläden anlächeln: Etwas formelhaft, nicht zwingend originell für Fans des Genres aber sie funktionieren und ehe man sich versieht hat man wieder ein paar Stunden investiert in eine vielleicht lineares aber gewinnendes Universum gesteckt.
Fire Emblem Echoes ist dabei liebevoll inszeniert. Während die Vorgänger in puncto Sprachausgabe nur Sprachsamples zu bieten hatten, die am Existenzminimum knabberten, sind hier sogar vermeintlich unwichtige Passagen vollvertont – und zwar sehr gut!
Eine Prise Action-Adventure
Wir schreiten im Spiel voran, indem wir unseren Weg wie bei Super Mario World auf einer Oberwelt von Ort zu Ort suchen – eine eigene Basis bauen können wir nicht mehr. Manche Punkte sind von gegnerischen Armeen besetzt, sodass wir im Vorfeld die Stärke des Heeres einschätzen können. Es kommt jedoch auch zu Hinterhalten oder Überraschungsangriffen. Die Kämpfe reichen dabei von kleinen Scharmützeln von wenigen Minuten, über Angriffe wilder Monster bis zu epischen Schlossbelagerungen, für die wir mehr als eine halbe Stunde einplanen können.
Andere Punkte auf der Oberwelt bilden Städte oder Dörfer, in denen wir uns wie in einem Professor Layton-Ableger von Bildschirm zu Bildschirm navigieren, Gegenstände und Waffen finden und mit den Bewohnern reden, um einfach nur zu plaudern oder um Sidequests anzunehmen. Dieser kleine Kniff fügt sich wunderbar organisch in das Gameplay ein und sorgt für etwas Zerstreuung zwischen den Gefechten, denn an anderer Stelle wurde die Dialogmasse in Fire Emblem deutlich reduziert. Hier werden manche Fans schlucken müssen: Anders als in den Vorgängern, können wir die Beziehungen der Charaktere untereinander nicht mehr willkürlich gestalten und vertiefen, Hochzeiten triggern und sogar für Nachwuchs sorgen. Diese sozialen Features wurden deutlich zurückgefahren und darauf reduziert, dass es zwischen festgelegten Charakteren gescriptete Möglichkeiten gibt, in der Schlacht miteinander zu reden und ihr Unterstützungslevel zu steigern. Und auch wenn ich den entschlackten Korpus von Fire Emblem Echoes in den Kämpfen begrüße, gebe ich zu, dass mir diese sozialen Features fehlen.
In Dungeons hingegen wird das Spiel zu einem Action-Adventure, in dem wir dem Protagonisten über die Schulter schauen und das Areal in 3D erkunden. Wie in Persona 5 können wir umherschlurfende Gegner bereits vor dem Gefecht sehen und versuchen sie von hinten zu überraschen. Außerdem dürfen zerstörbare Kisten und Fässer, so wie Schatztruhen nicht fehlen, um unser Inventar weiter aufzustocken. Die Abschnitte machen zwar Spaß, sind aber nicht mehr als ein Gimmick und eignen sich am besten und die Truppe aufzuleveln. Denn in den Dungeons wartet meistens auch eine Statue der göttlichen Mila auf uns, bei der erfahrene Recken einen Klassenwechsel vornehmen können um noch mächtiger zu werden. Außerdem opfern wir hier Nahrungsmittel, um der Erschöpfung der Truppe entgegenzuwirken, die durch das ständige Kämpfen immer mehr ermüden. Apropos Kämpfe!
Schnörkellos aber taktisch
Im Groben bleibt sich Fire Emblem Echoes seiner Kampfmechanik treu und die Kämpfe sind fordernd und sehr spannend – erst recht wenn man mit Permadeath spielt und eine falsche Entscheidung auf dem Schlachtfeld das dauerhafte Ende eines Mitstreiters bedeuten kann. Für Serienkenner hat sich jedoch einiges getan, wie zum Beispiel: Magier und Schützen können mit dem richtigen Equipment über mehr als 2 Felder hinweg angreifen und Zaubersprüche werden mit Lebenspunkten bezahlt. Das klassische Schere-Stein-Papier System zwischen Äxten, Lanzen und Schwertern gibt es nicht mehr. Lediglich die Stärke der Waffe und der Kontrahenten entscheiden über den zugefügten Schaden. Charaktere können nicht mehr wie bisher fünf Items tragen sondern nur eines – müssen sich also beispielsweise entscheiden, ob sie eine Waffe oder ein Heilitem bei sich tragen wollen. Der wohl auffälligste Faktor ist jedoch, dass die Doppelangriffe und Unterstützungen zwischen den Charakteren entfernt wurden.
Außerdem neu: Zwar können wir in einer Schlacht abspeichern, um später an diesem Punkt weiterspielen zu können. Jedoch wird das Lesezeichen nach einem Mal Laden gelöscht, sodass wir in brenzligen Situationen nicht unendlich viele Versuche haben. Stattdessen können wir eine Schlacht in begrenzter Anzahl, beliebig viele Züge zurückspulen. In Dungeons und Städten können wir Zahnräder einsammeln, die es uns erlauben, dieses Feature häufiger einzusetzen.
Durch die Anpassungen der Kämpfe wurden diese weder einfacher noch schwerer. Mir fällt es in Fire Emblem Echoes durch den Wegfall der „Tag-Team-Mechanik“ einfacher, Kämpfe und ihre Ausgänge besser einzuschätzen. Dadurch behalte ich einen besseren Überblick über das Schlachtfeld und habe das Gefühl, dass es seltener zu frustigen Momenten kommt, in der eine Mechanik, die ich noch nicht durchblickt habe, einem meiner Lieblingscharaktere das Leben kostet. Dafür ist natürlich das strategische Platzieren und Kombinieren der eigenen Einheiten ein wenig unwichtiger geworden. Durch die erhöhte Übersichtlichkeit steigt jedoch auch die Motivation mit Permadeath zu spielen, was für mich in den Vorgängern ehrlich gesagt nie eine Alternative war. Zudem bietet das Kampfsystem nach wie vor strategische Tiefe, wenn wir uns überlegen, wo wir Feinden begegnen, wie wir das Terrain zu unserem Vorteil nutzen können, wie wir Magier und Schützen am besten positionieren und die Schlacht gewinnen können, ohne einen schmerzvollen Verlust hinnehmen zu müssen
Fazit:
Nach etwa 35 Stunden Spielzeit kann ich konstatieren: Fire Emblem Echoes bietet absolute Suchtgefahr. Was als Zeitvertreib auf Bahnfahrten begann, wurde immer mehr zur abendfüllenden Beschäftigung – ich habe es sehr genossen!
Auch wenn der Zyniker in mir die sehr vorhersehbare Story und die teils kitschigen Dialoge belächeln musste, war ich doch überraschend investiert in die Charaktere und blieb am Ball. Dabei hilft es auf jeden Fall, mit Permadeath zu spielen: Wer sich in den Kämpfen wie eine Glucke um seine Küken kümmert, muss sich zwangsläufig emotional gebunden haben.
Bei der Entscheidung Pro-Permadeath hilft das entschlackte Gameplay: Die Kampfmechanik ist einfacher zu verstehen und übersichtlicher. Allerdings wurde auch die von Fans geliebte Möglichkeit gestrichen, Beziehungen zwischen den Charakteren selbst zu inszenieren und so in Eigenregie für Nachwuchs in der Kaserne zu sorgen. Zudem fiel der, zugegebenermaßen rudimentäre, Basenbau aus dem Vorgänger dem Rotstift zum Opfer – wenn auch zu Gunsten einer völlig neuen Action-Adventure Mechanik zur Erkundung von Dungeons, kleineren Kniffen wie den Wimmelbildchen in den Städten und der Fokussierung auf die Story.
Fire Emblem Echoes eignet sich meiner Meinung nach perfekt als Einstieg in das Genre bzw. das Fire Emblem Universum. Es bietet fordernde Kämpfe, eine gut inszenierte Story mit grandioser Sprachausgabe und toller Musik und Spielspaß für über 30 Stunden.