Fangen wir von Vorne an
„RESIDENT EVIL“ – noch heute klingt die dunkle Stimme durch meinen Kopf, die das Spiel auf der ersten PlayStation einleitete. Ich war damals zarte 8 Jahre alt. Bis heute habe ich die ersten drei Teile nicht mit eigenen Händen durchgespielt. Stattdessen habe ich gespannt neben meinem großen Bruder gesessen und mitgefiebert. Die Jahre sind vergangen und ein neues innovatives Resident Evil 4 ist erschienen. Der neue Ableger versprach mit seiner neuen Über-die-Schulter-guck-Perspektive ein actionreiches Erlebnis zu werden und setzte nicht mehr auf Schockmomente, dafür wollten die Macher mit Zombiehorden Panik erzeugen. Aus „Panik“ wurde aber reines Actiongeballer. Und so kam es, dass ich mich mit meinem Bruder Seite an Seite im Ko-op durch die zahlreichen Zombiemassen schnetzelte. Kein Problem für mich. Bin ja keine 8 Jahre mehr! Gleiches galt für Resident Evil 5 und 6: von Angst keine Spur. Und dabei blieb es auch. Die Spiele waren … nett. Sie hinterließen keinen bleibenden Eindruck mehr.
Doch mit Resident Evil 7 versprach Capcom zu ihren Wurzeln zurückzufinden und die Stärken der alten Teile wieder hervorzuheben. Das ließ mich doch glatt aufhorchen und mit viel Spannung und großen Erwartungen setzte ich mich an den neuen Ableger. Als Mittzwanziger kann ich meinen Mut endlich unter Beweis stellen. Und so schob ich die Spieledisc in mein PlayStation 4-Laufwerk und schritt erhobenen Hauptes und übermotiviert zum Anwesen der Familie Baker in den tiefen Sümpfen von Louisiana, wo ich dann doch immer kleiner wurde und am liebsten schreiend heimgelaufen wäre.
Meine Nacht mit Residen Evil 7
Ich spiele Ethan Winters, einen kecken Jungen aus Texas, dessen Frau Mia vor drei Jahren verschwunden ist. Wir bekommen aber eine Videobotschaft von der bereits tot geglaubten Mia, in der sie uns ausdrücklich warnt nicht nach ihr zu suchen. Als junger Ehemann machen wir uns natürlich doch auf den Weg unser holdes Weib zu finden. Am Ort angekommen, an dem sich unsere Frau aufhalten soll, schleichen wir uns in Ego-Perspektive sofort auf das Anwesen. Das Haupttor ist verschlossen und ich gehe um das Haus herum. Es ist Tag, und der Sumpf wirkt noch recht friedlich. Ein heruntergekommener Van liegt auf dem Weg und ich stoße auf Tierkadaver, aufbereitet in einer Art Traumfänger und hinter der nächsten Ecke eine Gestalt, die langsam vor mir vorbeigeht. Ich bleibe cool. Es sind die typischen anfänglichen Szenarien, die das Spiel langsam in Fahrt bringen sollen.
Als Nächstes springe ich einen kleinen Abhang herunter und lande in dem Garten des Anwesens. Ab jetzt gibt es kein zurück mehr. Vor mir eine Art Nebenhaus. Ich gehe auf die Veranda und die Umgebung wird mit einem Mal deutlich dunkler. Eine innere Unruhe macht sich breit, ich bin angespannt.
Ich nähere mich einer Tür. Sie wird größer, Ethan legt die Hand auf und öffnet sie langsam. Erinnerungen an die berühmten Türszenen der ersten Teile kommen hoch. Was verbirgt sich hinter der Tür? Hoffentlich kommt mir niemand entgegengesprungen! Panik! Die Luft ist rein. Ausatmen. Ich lande in einer regelrechten Messie-Küche. Ein ekelhafter Anblick, der durch Mückensummen verstärkt wird und einen fauligen Geruch in meiner Nase aufkommen lässt. Wir haben es hier nicht mit der besten Grafik zu tun. Texturen wirken teils matschig und eintönig, doch sind es die kleinen Details und die Reflexionen der Suppe auf dem Tisch, Arbeitsplatte, Dielenboden und an den Wänden, die die Atmosphäre und das Gesamtbild perfekt abrunden.
Mit der Angst im Nacken schleiche ich mich durch die Küche, hier und da leuchtet ein X-Symbol auf. Ich kann mit vielen Gegenständen interagieren. Ich kann Dinge betrachten oder mir werden Beschreibungen eingeblendet. Es erinnert mich an die alten Zeiten und es gibt dem Spiel eine Prise Adventurefeeling. Die Liebe steckt ganzen klar im Detail. Es macht trotz der Anspannung auch Spaß sich alles ganz genau anzuschauen, was man vor die virtuellen Finger bekommt. Allerdings kann ich nicht meinen inneren Schweinehund besiegen und endlich mal in einem normalen Tempo durch das Haus gehen. Stattdessen stapfe ich langsam weiter, den Dual Stick nur leicht nach vorne getippt. Jeder etwas anders klingende Schritt lässt mich etwas anspannen. Waren das meine Schritte? Der Boden knarrt nur! Phew… Ich fühle mich an Ethans Stelle. Ich gehe vorsichtig durch die dunklen Gänge und ich nehme sogar seine Atemgeräusche wahr. Hätte ich jetzt noch die PlayStation VR auf, ich würde hier vermutlich schon stoppen.
Aber so ist es zum Glück nicht, sonst wäre der Test schon zu Ende. Es geht also weiter im Gruselkabinett de la Baker. Die ersten gegnerischen Begegnungen habe ich hinter mir. Ich kann ausatmen und in Ruhe meine Unterwäsche föhnen. Das Spiel hält die Stimmung weiterhin aufrecht, meine innere Unruhe legt sich aber langsam. Das Eis ist gebrochen. Der ein oder andere Tropfen wird mir vermutlich trotzdem noch entweichen.
Horrorhaus bleibt Horrorhaus
Die Balance zwischen Kämpfen und Rätselraten ist sehr ausgewogen. Ein Horrorspiel, wie es Resident Evil war und jetzt wieder sein will, muss bewusst und sparsam mit Begegnungen umgehen, damit es die Spannung aufrecht halten kann. Wir sind also auch viel am Erkunden, müssen fehlende Schlüssel finden oder mit eingesammelten Gegenständen Rätsel lösen. Ganz getreu der Spielreihe haben wir es mit prunkvoll verzierten Türen zu tun, die uns den Weg versperren. In diese müssen einzelne Gegenstände eingesetzt werden oder passende Tierschlüssel gefunden werden. Das funktioniert alles ziemlich gut, wiederholt sich aber im Laufe des Spiels oder ist auch teils zu einfach und vorhersehbar. Ich persönlich bin damit aber einverstanden, da ich das Spiel einfach nur schnell hinter mich bringen möchte.
Kommt uns ein Gegner in den Quere, können wir uns mit Messer, Axt und Schusswaffen zur Wehr setzen. Ein wildes Attackieren reicht nicht aus. Oft ist die richtige Taktik nötig um den Gegner zur Strecke zu bringen, da man selbst auf einfachem Schwierigkeitsgrad auf Gesundheit und Munition achten muss. Die Kämpfe sind abwechslungsreich und spannend gestaltet. Mit der Familie Baker wird es so schnell nicht langweilig. Hin und wieder kommt es aber vor, dass hektische Bewegungen von Gegnern etwas deplatziert wirken. Die dadurch unbeholfen aussehenden Charaktere hinterlassen einen seltsamen Eindruck und bringen die Immersion ins wanken. Aus dem Horror wird kurz eine Lachnummer. Hier wird Capcom mit Patches nachbessern müssen.
First-Person-Horror-Action-Shooter-mit-Handlung
Ein wirklich gelungenes Feature des Spiels sind die VHS-Kassetten. Wird eine gefunden, kann man diese mit einem VHS-Rekorder im wahrsten Sinne des Wortes „abspielen“. Wir steuern die Charaktere in den grisseligen Found Footage Filmen selbst. Es sind vergangene Ereignisse, die uns mehr über die Story verraten oder uns auch auf die richtige Fährte führen können.
Die Geschichte bleibt das ganze Spiel über spannend. Die kuriosen Ereignisse reißen nicht ab und steigern sich bis zum Schluss. Ohne etwas vorwegzunehmen, gelingt es Capcom eine unabhängige Story zu erzählen und diese im selben Atemzug in das Resident Evil Universum zu integrieren. Mit einem Reboot haben wir es – wie die Macher schon vorher angemerkt haben – nicht zu tun. Resident Evil 7 stellt in gewisser Weise einen Neuanfang dar und ist doch ein Nachfolger der alten Reihe.
Die Entscheidung bei RE7 auf eine Ego-Perspektive zu setzen, war definitiv die richtige Entscheidung. Horrorspiele haben sich in den letzten Jahren gewandelt. Amnesia, Outlast und co. haben uns den Unterschied zwischen First- und Third-Person gezeigt und Resident Evil im Hinblick auf den Grusel-Faktor schon lange den Rang abgelaufen. Die daraus resultierende PlayStation VR Unterstützung ist ebenfalls eine tolle Bereicherung, sowohl für Resident Evil, als auch für die PlayStation. Es ist der erste vollwertige VR Titel, der auch qualitativ überzeugt.
Abstriche macht das Spielerlebnis allerdings an Stellen, an denen man ziellos durch harmlose Gänge und Zimmer irrt, ohne einen Gegner zu befürchten. Die Spannung geht dann schnell in den Keller und das Horrorhaus wird dann zum … Haus. Aber das ist wegen der recht einfach gehaltenen Rätsel und dem halbwegs linearen Spielablauf nicht oft der Fall. Freunde des Actionhorrors kommen hin und wieder auch auf ihre Kosten, aber sie sollten nicht zu viel erwarten.
Fazit
Resident Evil 7 weiß zu überzeugen und setzt damit einen neuen Maßstab für die ganze Serie. Die Flugrolle rückwärts ist Capcom somit gelungen. Das Spiel zeigt sich im neuen Gewand und behält das alte gleichzeitig im Hinterkopf. Neueinsteiger und alte Veteranen kommen hier beide auf ihre Kosten. Es ist aber zu beachten, dass man für so einen Titel starke Nerven haben muss, in dem Fall gibt es aber eine klare Kaufempfehlung von mir. Allen weniger mutigen Spielern rate ich zu einer Packung Windeln!
[pricemesh]