Starten wir doch mal mit einer kurzen Frage: an welche legendäre Spielreihe müsst Ihr denken, wenn ich Euch „Achterbahnen“, „Freizeitpark“ und „Aufbausimulation“ vorgebe? Wenn es Euch wie mir geht, dann kann die Antwort nur Rollercoaster Tycoon (RCT) heißen. Damals entwickelt von Chris Sawyer, hat das Serie schnell eine riesige Fangemeinde gefunden und ist bis heute überaus beliebt. Mit RCT 3 erschien 2004 der letzte Teil der Reihe, der von Frontier Developments entwickelt wurde. Und eben dieses alteingesessene britische Entwicklerteam um David Braben lässt nun mit Planet Coaster den geistigen Nachfolger der RCT-Reihe auf den PC los.
Planet was?
Bei Planet Coaster handelt es sich um eine Freizeitparksimulation mit Fokus auf den namensgebenden Achterbahnen. Das Spiel wurde Anfang 2015 angekündigt und ist spätestens seit Beginn der Alpha-Phase im März des gleichen Jahres ein präsentes Thema im Gaming-Kosmos. Spieler konnten sich einen frühen Zugang kaufen und durch ihr Feedback wesentlich zur Verbesserung, Erweiterung und Optimierung des Spiels beitragen. Eindrücke waren bereits in den frühen Phasen sehr positiv, so dass die Erwartungen an die finale Version hoch sind. Ob diese erfüllt werden können?
Erstellen – Verwalten – Teilen
Frontier nutzt diese 3 Begriffe um das Spiel kurz und prägnant zu erklären und es passt auch perfekt: wir erstellen unseren Freizeitpark nach und nach, verwalten ihn mit Hilfe von vielen Stellschrauben an denen wir drehen können und haben die Möglichkeit mit Spielern aus aller Welt Inhalte zu teilen bzw. auf diese zuzugreifen.
An Spielmodi stehen uns eine Karriere, ein Sandboxmodus und verschiedene Herausforderungen zur Auswahl. Im Karrieremodus arbeiten wir uns durch verschiedene Szenarien, die zunehmend schwerer werden. Da es leider nur Video-Tutorials gibt, bietet sich dieser Modus zum Einstieg gut an. Der Sandbox-Modus lässt uns völlig frei handeln. Wir haben kein Budget an das wir uns halten müssen und können so aus dem Vollen schöpfen und schnell den Park unserer Träume erschaffen. Der Herausforderungs-Modus bildet eigentlich das Herzstück. Hier haben wir uns an Vorgaben zu halten, in erster Linie natürlich bzgl. Geld und Budget und bekommen vom Spiel immer wieder Herausforderungen vorgesetzt. Die weiteren Eindrücke stammen überwiegend aus diesem Modus.
Erster Spatenstich
Bevor wir Hand an unseren Park anlegen können, müssen wir das Szenario und den Schwierigkeitsgrad wählen. Beim Szenario können wir zwischen Tropen, Wüste, Alpen, Laubwald oder Graslandschaft wählen. Haben wir uns entschieden geht es weiter zum Schwierigkeitsgrad und hier sei direkt gesagt, dass das Spiel tendenziell eher einfach ist. Geübte Spieler starten am besten gleich auf einer der beiden höheren Spielstufen.
Haben wir uns entschieden landen wir endlich auf unserem neuen Grundstück. Viel ist da aber noch nicht. Ein Eingang, ein Weg und ein bisschen Deko. Zeit für uns die Schaufel zu schwingen und die Bagger anrollen zu lassen. Doch womit fangen wir an? Die Leute wollen sicher essen und trinken. Also erstmal einen Imbiss und eine Getränkebude bauen. Und die müssen das ja auch wegbringen. Klar, Toiletten müssen sein. Und was ist mit Müll? Erstmal sollten ein paar kleine Mülleimer reichen. Aber mit Essen und Trinken locken wir keine Besucher an, wir brauchen Attraktionen. Anfangs setzt uns unser Budget natürlich Grenzen, wir entscheiden uns für eine einfache Achterbahn und ein Kopfüber-in-alle-Richtungen-dreh-Karussell für den richtigen Nervenkitzel. Und an die Kinder denken wir mit einem Pferdekarussell natürlich auch. Schnell noch einen Techniker und einen Animateur eingestellt, ein wenig Deko platziert und unser Park kann zum ersten Mal seine Pforten öffnen.
Höher, schneller, weiter
Die Leute strömen direkt in unseren kleinen Vergnügungspark und der Rubel beginnt zu rollen. Relativ schnell beschweren sich die Besucher aber über mangelnde Abwechslung und wer kann es ihnen verdenken. Wir sind also gefordert. Mit zunehmend volleren Kassen können wir mehr Attraktionen, Buden, Gebäude und Deko bauen. Wir sollten dabei immer im Auge behalten, dass wir die Ansprüche und Bedürfnisse verschiedener Besuchergruppen im Auge behalten müssen. Seien es Kinder, Familien, ältere Menschen oder Achterbahnfreaks: jeder will und soll auf seine Kosten kommen.
Beim Ausbau kommen wir mit den vorgefertigten Objekten ganz gut voran. Die Auswahl an vorgefertigten Attraktionen könnte definitiv größer sein, aber Frontier setzt hier auf seine Community (sh. Abschnitt weiter unten). Am meisten Spaß macht aber das freie Planen und Bauen von Attraktionen, hier natürlich möglichst spektakuläre Achterbahnen. Der Bau geht nach kurzer Eingewöhnung recht gut von der Hand und es ist an uns eine Bahn zu schaffen, welche die Besucher begeistert. Das ist übrigens bei weitem nicht immer der Fall, eine Probefahrt ist unerlässlich um den Erfolg einschätzen zu können und die Testfahrer können schon mal recht anspruchsvoll sein. Wenn man dann aber einen tollen Ritt erschaffen hat und ihn zum ersten Mal in Ego-Perspektive gefahren ist (hey Frontier: wäre das nichts für VR?), dann stellt sich ein sehr befriedigendes Gefühl ein.
Um es auf den Punkt zu bringen: der Aufbaupart ist super gelungen. Der Kreativität sind wenig Grenzen gesetzt, fast alle Objekte können geändert und angepasst werden und es gibt auch ein sehr einfaches und gutes Terraforming. Hier ein See, da eine Erhöhung? Kein Problem.
Money, Money, Money…
Neben dem Aufbauteil gibt es natürlich noch den Verwaltungsteil. Hier haben wir als Manager Einfluss auf jede Menge Parameter. Wir können für jedes Fahrgeschäft, für jede Attraktion, für jede Bude Vorgaben machen. Wir können Werbung machen, müssen unsere Forschung vorantreiben für neue Objekte, müssen Personal einstellen etc. Je größer der Park wird, desto umfangreicher wird auch diese Verwaltung.
Das klingt in der Theorie wesentlich spannender als es in der Praxis ist. Leider ist es in der aktuellen Version (1.0.1) viel zu einfach die Kassen klingeln zu lassen. Die Besucher scheinen alle mit prallgefüllter Kreditkarte in den Park zu kommen oder wie ist es sonst zu erklären, dass sie während eines Besuchs teilweise 150 Dollar für ein (!) Fahrgeschäft ausgeben, neben 70 Dollar für Essen und 100 für Souvenirs. Ja, Freizeitparkbesuche sind nicht günstig, aber die Zahlen und das Benutzerverhalten sind hier einfach etwas übertrieben. Auch haben die Tageszeiten keinen Einfluss auf die Besucherzahlen. Schade, hier ist mehr möglich und an dieser Schraube sollte Frontier in einem Update drehen.
Packen wir’s zusammen an
Frontier hat sich für die Einbindung des Steam Workshops entschieden und damit die Türen für unzählige kreative Inhalte geöffnet. Bereits jetzt gibt es dort eine riesige Menge an Fahrgeschäften, Gebäuden, Buden, Dekomaterial etc. Es ist möglich vom kleinen Dekoelement bis hin zu kompletten Parks alles zu teilen. Dadurch erweitert sich die Auswahl an Objekten aller Art natürlich deutlich. Frontier setzt hier auf die Kreativität der Community und wenn man sich die Ergebnisse bisher anschaut, auch zurecht.
Alles glänzt
Technisch ist Planet Coaster auf jeden Fall ein sauberer Ritt. Die Grafik ist detailreich, der Wuselfaktor extrem hoch und der Sound sprudelt passend aus den Lautsprechern. Besonders angetan haben es uns die Stunden kurz vor und nach dem Sonnenuntergang. Es sieht einfach wunderschön aus, wenn die Sonne am Horizont auf- oder untergeht und den Park in ein stimmungsvolles Licht hüllt.
Beeindruckend ist auch wie die Engine die vielen Besucher darstellt. Hier läuft keine Klonarmee durch den Park, sondern autarke Besucher und Besuchergruppen. Natürlich gibt es hier und da Überschneidungen bei Aussehen und Animationen, aber das bewegt sich in einem Rahmen, der kaum auffällt. Chapeau, Frontier.
Fazit
Planet Coaster ist ein tolles Spiel. Ob man nun relativ einfach die Kampagne spielen möchte und sich bei den Objekten eher an Vorgaben halten will oder ob man Lust hat sich richtig einzuarbeiten und komplett eigene Fahrgeschäfte und Attraktionen erschaffen will: hier wird jeder glücklich. Zusammen mit dem Steam Workshop und der aktiven Community hat man Möglichkeiten ohne Ende.
Abzüge in der B-Note gibt es aber leider auch: Der Wirtschaftsteil ist für meinen Geschmack zu unrealistisch und zu simpel. Wer also einen großen Wert auf Wirtschaft und Parkverwaltung legt, dürfte (noch) nicht wirklich glücklich werden. Abschrecken lassen sollte man sich wirklich nicht: denn der Aufbau eines eigenen Parks mit selbst erstellen Attraktionen funktioniert super und fesselt einen an den Monitor.
Mit ein bisschen Feintuning und Kreativität der Community kann Planet Coaster ein würdiger Rollercoaster Tycoon 3 Nachfolger werden.