Johoho und ne Buddel voll Rum.
Klären wir doch zunächst die Leichtmatrosen unter euch auf. Bei Tempest handelt es sich um ein Open-World-Action-RPG, welches Ihr aus der Sicht eines Kapitäns erlebt. Ihr besegelt die sieben Weltmeere, auf der Suche nach Reichtum, Abenteuer und leichten Mädchen. Dabei erheben die Entwickler von Lion’s Shade keineswegs Anspruch auf historische Genauigkeit, sondern blasen mit viel Action und einem (häufig) spaßigen Gameplay, viel frischen Wind in die Segel des Genres. Doch auch ohne genauen Rahmen, verdient jedes Spiel seine Zeit. Wir befinden uns mit unseren schwimmenden Planken unter uns und unserer Crew am Anfang des 18. Jahrhunderts in der Karibik. Vor uns liegt eine zerrüttete Karte von verfeindeten Inseln. Unterschiedliche Flaggen symbolisieren nicht nur die Zugehörigkeit, sondern identifizieren schnell die Beute für euch. Und so werden wir, im wahrsten Sinne des Wortes, vom Spiel direkt ins kalte Wasser geworfen. Obwohl, Ihr habt auch die Möglichkeit ein Tutorial zu spielen und liebe Landratten, Ihr solltet diese Möglichkeit wahrnehmen. Denn das Spiel hat so seine Tücken und mitunter kann das Interface etwas verwirrend sein. Doch auch storytechnisch offenbart und Tempest einige Überraschungen und überlässt uns unserer Verwirrung.
Warum bist du nochmal abgehauen?
Wir widmen uns also zunächst der Einführung und werden Schritt für Schritt an die Komplexität von Tempest herangeführt. Schiff ausrichten und ballern ist nämlich nur eine Seite des Spiels. Hinzu kommen Handeln, eure Crew verarzten, neue Matrosen anheuern oder eure Feuerkraft weiter ausbauen. Nachdem wir uns durch das Tutorial gewurschtelt haben, ich unterlasse an dieser Stelle den Seemannsjargon bewusst, stellen wir uns der wahren Herausforderung – dem Meer. Leider war das nur so daher gesagt, denn die wirkliche Herausforderung ist die Übersichtlichkeit von Tempest. Diese geht relativ schnell verloren, besonders wenn es zum Handel geht. Abgesehen davon lassen uns die Entwickler in den ersten Missionen etwas im Dunkeln stehen. Zwar sind die ersten Aufgaben sehr einfach, Ihr müsst lediglich alte Kameraden jagen und, wenn nötig etwas gröber, davon überzeugen, dass eure Crew die Beste ist und es besser wäre sich dieser anzuschließen. Leider versäumen die Entwickler es an dieser Stelle, Tempest zu einem Storykracher zu machen – das Potenzial wäre durchaus da. Denn warum die alten Deckschrubber lieber alleine Seemannsgarn spinnen wollten, wird nicht erklärt. Doch so formt Ihr eine halbwegs passable Mannschaft und bestreitet die ersten Seegefechte. Diese sehen nicht nur akzeptabel aus, sondern steuern sich auch, im Vergleich zu anderen Sachen im Spiel, ziemlich einfach.
Luv oder Lee? Bug oder Heck?
An dieser Stelle werde ich euch zunächst mit meinem nautischen Wissen bereichern, so könnt Ihr nicht nur vor eurer Perle angeben, sondern lernt etwas fürs Leben. Der Bug ist beim Schiff VORNE und das Heck entsprechend HINTEN. Beim Segeln spricht man von Luv oder Lee. Die Luv-Seite ist dabei die Seite, die dem Wind direkt ausgesetzt ist. Die Lee-Seite liegt demnach auf der anderen Seite. Bei Tempest hilft euch eine einfache Prozentanzeige bei dieser Entscheidung weiter. Wollt Ihr die volle Power des Windes hinter den Segeln haben, richtet das Steuer so aus, dass ein möglichst hoher (positiver) Wert erreicht wird. Hier hat das Spiel zudem die Funktion wahlweise mit halber oder mit voller Kraft die Segel setzen zu lassen. Für lange Strecken, wenn Ihr diese manuell segeln wollt, lässt sich ein Beschleuniger aktivieren. Allerdings ist es ziemlich eintönig, deshalb werdet Ihr wahrscheinlich auf die schnellere Methode zurückgreifen. Mit der Karte könnt Ihr euer Schiff zum nächsten Hotspot bewegen, das funktioniert via Drag & Drop, also sehr intuitiv. Segelt Ihr auf einen Hafen zu und beschließt diesen mit etwas Blei aus euren Kanonen zu verwöhnen, späht vorher alles mit dem Fernrohr aus. Je länger Ihr schaut, desto mehr Schwachstellen tun sich auf und Ihr könnt das Schiff besser positionieren. Da eure weiterentwickelte Nussschale sehr simpel mit WASD gesteuert werden kann und die Richtung der Kanonen angezeigt wird, ist eine Ausrichtung mit anschließendem Druck auf die Leertaste recht unkompliziert.
Es ist nicht alles Gold was glänzt
Aber nicht nur Ballerei gehört zum Piraten-Dasein, sondern auch plündern und fette Beute machen. Zerlegt Ihr also ein feindliches Schiff oder eben eins wo euch die Flagge nicht gepasst hat, gibt es natürlich auch Belohnungen. Auf diesem Weg baut Ihr euch zudem ein Ansehen auf und mit der Zeit, eilt euch euer Ruf voraus. Mit erbeutetem Gold lassen sich später beispielsweise ganz besondere Waffen anfertigen und auf eurem Kahn montieren. Zum Waffenrepertoire von Tempest gehören nämlich auch Mörser und Flammenwerfer – ziemlich gut für große Seeungeheuer. Seeungeheuer? Ja, wie bereits gesagt, eine realistische Piratensimulation ist mit Tempest nicht angestrebt und so begegnen euch auf der offenen Seekarte auch ab und an riesige Kalmare, Dämonen oder magische Artefakte. Auf diesem Weg profitiert das Spiel wiederholt von abwechslungsreicher und kurzweiliger Action und genau das kann Tempest wirklich gut. Zwar gehören eher dröge Handelspassagen auch zum Spiel, doch der Kern, nämlich ein ansehnliches und actionlastiges Piratengame auf den Markt zu bringen, ist durchaus gelungen.
Fazit
In bin bei Tempest noch voller gemischter Gefühle. Auch wenn das Spiel grafisch definitiv nicht auf dem neusten Stand ist, reicht es vollkommen aus und es stört auch nicht, wenn einige Kanten nicht ganz geglättet sind oder man eigentlich rundere Meereswogen gewohnt ist. Die musikalische Untermalung unterstützt das Gefühl von Abenteuer und rauer See. Die Schiffe und Gefechte lassen sich zudem von allen Seiten genau betrachten, denn die frei bewegbare Kamera lässt keinen Winkel verborgen. Auch die Gefechte, und darauf liegt der Fokus von Tempest, sind unterhaltsam und gehen, der einfachen Steuerung sei Dank, gut von der Hand. Allerdings wirken die übrigen Punkte etwas fehl am Platz. Das Interface bei sämtlichen Handelsaktionen ist unübersichtlich. Außerdem wird dem Spieler, trotz des Tutorials, recht wenig Eingewöhnungszeit gegeben und selbst in der Einführung, könnte die Erklärung besser sein. Wenn Ihr aber Lust habt euch in das Spiel reinzufuchsen, werdet Ihr mit viel Spielspaß belohnt. Außerdem ist der Multiplayer perfekt für actionreiche und kurze Seegefechte. Mit 14,99 € bekommt man zudem ein funktionierendes Open-World-Szenario geboten – sicherlich kein schlechter Deal, diese Spiel zu kapern.