Die Antwort ist Ja

Kaum ein Spiel verkörpert das Wesen der PC-Spiele in diesem Jahrzehnt so gut wie Prison Architect. Die Grafik minimalistisch aber stilsicher – typisch für die Indie-Generation Kickstarter, in denen der PC einmal mehr Spielen geöffnet wurde, die sich dem optischen Wettrüsten enthalten (müssen).  Dem Genre der Aufbau-Strategie angehörend, trifft Prison Architect den Geschmack vieler PC-Spieler, die diese Art Spiel beinahe exklusiv für ihre Plattform gepachtet haben. Und schließlich wäre da noch die Besonderheit in der Entwicklung: Beinahe drei Jahre befand sich der Titel in der Early-Access-Phase. Drei Jahre, in denen die Spieleschmiede Introversion das Feedback der stetig wachsenden Fanbase in das Spiel einbaute und aus der unscheinbaren, wuseligen Gefängnis-Sim einen Überraschungsshit fertigte. Die Frage ist, kann sich ein so PC-spezifischer Titel auch auf den Konsolen durchsetzen?

Auch auf die Gefahr hin, den stetig anschwellenden Spannungs-Ballon der Leserschaft zu früh zum Platzen zu bringen: Die PS4-Portierung ist, scheinbar gegenteiliger Vorzeichen zum Trotze, ein Erfolg geworden. Indem man sich die Unterstützung der Spezialisten von Double Eleven sicherte, die bereits den Goat Simulator auf die Konsole brachten, gelang es, eine komplexe Simulation mit dem Pad gut spielbar zu machen.

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Einmal Dieb, immer Dieb?

Schonungslose Kampagne – stimmungsvolles Spiel

Denn von seiner Komplexität büßt Prison Architect auch auf der PlayStation 4 und der Xbox One nichts ein. Da kommen die Gefängnisgeschichten, ein Tutorial im Gewand einer Kampagne mit fünf Kapiteln gerade recht.

Während wir spielmechanisch an die Hand genommen werden, schmeißt uns die Story ins kalte Wasser. Ein Doppelmörder wurde in unser Gefängnis transferiert und wartet auf die Vollstreckung der Todesstrafe. Unsere erste Aufgabe als Nachwuchs-Architekt ist also eine Exekutionskammer zu konstruieren. Während man in anderen Jobs am ersten Tag lernt, wie die Kaffeemaschine bedient wird und was die Tücken des  Bürokopierers sind, werden wir hier angeleitet, wie man mit den Spitzen im Stromverbrauch umgeht, die der Elektrische Stuhl mit sich bringen.

Untermalt von wirklich guten Zwischensequenzen im Comic-Stil wird ganz nebenbei eine überraschend interessante Geschichte erzählt, die an Gesellschaftskritik nicht spart und ‚dennoch‘ unterhält. Zwei Dinge daran sind großartig. Erstens: Wir spielen das Tutorial nicht widerwillig und nur um das Handwerk zu erlernen, sondern tatsächlich gerne. Und zweitens: Die knubbligen Charaktere in ihrer Wuseloptik werden durch die Kampagne so gut inszeniert, dass man irgendwann nicht mehr die grobteiligen, tonpapier-esquen Charaktermodelle sieht, sondern deren Biografie und Wesenszüge dahinter. Eine Haltung, die der Spieler auch ins Freie Spiele mitnimmt, in denen es keine geskriptete Handlung gibt.

Denn auch abseits der Kampagne besitzt jeder Gefangene eine individuelle Vita mit eigener Geschichte von Vergehen und Psychoprofil. Wer sich hier gelegentlich durchklickt, dem wachsen einzelne Gefangene ans Herz und man ertappt sich dabei zu denken „Na, mal gucken was Messer-Johnny gerade macht – eigentlich müsste er gerade zu seiner Selbsthilfegruppe unterwegs sein.“. Auf diese Art schreibt das Spiel seine Geschichte für den Beobachter selbst. Zutaten wie Gangs, Ausbruchversuche und gescheiterte Resozialisierungen ergeben in den allermeisten Fällen gute Geschichten.

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Die Kampagne präsentiert sich sehr stimmungsvoll

Eine Zierde seiner Art

Irgendwann möchte man nicht mehr nur in den vorgefertigten Szenarien herumwerkeln, sondern sein eigenes Gefängnis von der Blaupause an selbst planen. Ein Qualitätsmerkmal einer gelungenen Aufbau-Simulation ist bei Prison Architect zu jeder Phase des Spiels spürbar: Es gibt immer genug zu tun, ohne dass sich Überforderung einstellt. Zu Beginn ziehen wir Mauern hoch, weisen den entstandenen Räumen ihre Funktion zu, kümmern uns um Strom- und Wasserversorgung und achten darauf, genug Personal einzustellen. Dann fällt uns ein, dass die Gefangenen wohl auch etwas essen müssen, planen Küche und Kantine direkt hinterher. Irgendwann folgt eine Krankenstation und eine Wäscherei und ehe wir uns versehen haben wir eine ordentliche Basis geschaffen und ein paar Stunden sind ins Land gegangen.

Die Lernkurve in Prison Architect ist angenehm und wir tasten uns Schritt für Schritt an die große Komplexität einer echten Strafvollzugsanstalt heran. Ein kleines Gefängnis ist noch verhältnismäßig leicht zu managen, aber da wir pro Insasse bezahlt werden, bauen wir Zellenblock um Zellenblock. Irgendwann verwalten wir ein kleines Fort, indem wir die Patrouillenwege der Wachen selbst festlegen und gesonderte Sicherheitszonen zuweisen können. Die Möglichkeiten eröffnen sich mit fortlaufender Spieldauer und lassen dem Spieler Raum, seinen eigenen Stil zu finden. Gehen wir auf die Bedürfnisse der einzelnen Gefangenen ein, wird der Unterhalt  in die Höhe schnellen und wir laufen Gefahr, bankrott zu gehen. Halten wir die Straffälligen nah am Existenzminimum sparen wir zwar Geld, müssen jedoch damit rechnen, dass der unzufriedene Haufen revoltiert und uns aufknüpfen möchte. Von den moralischen Aspekten der Haft (auch von Unschuldigen) ganz zu schweigen.

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21 Uhr – Zeit für die Gefangenen in die Zellen zurückzukehren

Gelungener Transfer auf die Konsole

Ein so vielschichtiges Strategiespiel ist auf den Konsolen rar. Umso angenehmer fällt auf, wie reibungslos die Portierung vom PC funktionierte. Die Navigation mit dem Pad klappt auf Anhieb gut und das Suchen von Icons ist mehr der Optionsvielfalt geschuldet als einer schlechten Steuerung. Die Einrichtung von Räumen mit Objekten kann bei Zeiten frickelig sein – vor allem wenn man seine zwanzigste, identische Zelle baut. Jedoch lässt sich ein Klonierungs-Mechanismus erforschen, durch den wir einzelne Räume oder ganze Trakte einfach duplizieren können.

Diese Art Workaround gibt es jedoch nicht für jede Unwägbarkeit. Vor allem die Navigation von Sondereinsatztruppen wie bewaffneten Wachen oder Feuerwehrleuten braucht mit dem Pad deutlich mehr Eingewöhnungszeit als mit Maus und Tastatur. Dies bricht dem Titel jedoch zu keinem Zeitpunkt das spielerische Genick. Schade hingegen ist, dass der Flucht- und der 3D-Modus der PC-Version den Umzug auf die Konsole verweigerten. Ebenso fällt natürlich der Steam Workshop. Dafür wurde der Titel um den Warden-Modus bereichert, in denen verschiedene Szenarien gelöst werden müssen, bevor man von der Kette gelassen wird. Zudem dient die World of Wardens als Tauschbörse für Enthusiasten von Prison Architect – vorausgesetzt ihr erstellt ein Double Eleven – Konto.

Fazit:

Aufbau-Strategie ist auf den Konsolen angekommen! Natürlich wird man mit dem Pad trotz der sehr guten Portierung nicht die Geschwindigkeit und Präzision von Maus und Tastatur erreichen und ja, Micromanagement ist mitunter etwas hakelig. Aber da hören die Kritikpunkte auch schon abrupt auf. Nach überraschend kurzer Eingewöhnungszeit gehen Planung und Ausführung von ganzen Gefängnistrakten angenehm von der Hand.

Wer es gern actionreich mag, aktiviert in den Optionen Zufallsereignisse, Gangs und konzentriert sich auf Gefangene mit Kapitalverbrechen. Gemütlichere Spieler managen eine Einrichtung mit geringerer Sicherheitsstufe, lesen die Hintergrundinformationen zu den einzelnen Gefangenen und erfreuen sich an den Geschichten, die sich entfalten.

In jedem Fall wird man ein Spiel spielen, dessen stilsichere Optik gepaart mit grandiosen Sound – und Umgebungseffekten eine dichte Atmosphäre erzeugt. Es gibt immer etwas zu tun für den Architekten und dennoch schaut man in den gemächlicheren Phasen des Spiels auch einfach nur gern dabei zu, wie die Spielmechanismen ineinander greifen wie bei einer Gif mit perfektem Loop.

[pricemesh]

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