Life is simply unfair…
„Zero Time Dilemma“ ist zeitlich zwischen den beiden Zero Escape Teilen angesiedelt. Dabei versucht das Spiel die Storys der Vorgänger so gut es geht zusammenzufassen, um den Spielspaß auch für Einsteiger zu garantieren. Trotzdem ist es nicht empfehlenswert ihn allein oder vor den anderen beiden Teilen zu spielen, da die Handlung ansonsten sehr komplex und verwirrend sein kann.
Wie auch in den Vorgängern werden neun Personen, die eigentlich an einer Studie in der Wüste Nevadas teilnehmen sollten, entführt und in einem großen Atomschutzbunker eingeschlossen. Verantwortlich dafür ist eine maskierte Gestalt, die sich selbst „Zero II“ nennt. Wie bereits gewohnt handelt es sich dabei um den Spielleiter, der Regeln aufstellt und die Spieler beobachtet. Der einzige Weg in die Freiheit liegt hinter einer massiven Stahltür, die sich allerdings nur einmal öffnet, und zwar dann, wenn sechs Passwörter in das Eingabefeld neben dem Ausgang getippt werden. Ein Passwort wird allerdings nur freigegeben, wenn einer der Insassen das Zeitliche segnet.
Aufgespalten in drei Teams (C, Q und D), bestehend aus wiederum drei Personen, die ihrerseits drei unterschiedlichen Komplexen zugeteilt werden, gilt es, in verschiedenen Räumen Rätsel zu lösen, sowie Entscheidungen zu treffen, die den Tod eines oder mehrerer Mitspieler zur Folge haben können. Dazu haben die Teams jeweils neunzig Minuten Zeit, danach wird über eine Armbanduhr an ihrem Handgelenk ein Amnesie-Mittel injiziert, das die Teilnehmer in Schlaf versetzt und die letzten anderthalb Stunden komplett vergessen lässt. Als einer der drei Teamleader, zwischen denen ihr jederzeit wechseln könnt, erlebt ihr die Geschichte aus der Sicht des jeweiligen Dreierteams. Dabei sind die Erinnerungsfragmente der Teilnehmer ordentlich durcheinandergeraten, sodass ihr erst mal keine Ahnung habt, in welcher Reihenfolge die Chronologie vonstatten ging. Einzelne Abschnitte müssen auf gut Glück passiert werden, um am Ende alles zeitlich richtig einordnen zu können. Triggert ihr bestimmte Events, so schaltet ihr neue Fragmente frei, die ihr durchlaufen könnt.
Kopf oder Zahl ?
Neu für die Serie ist der eingebaute Randomizer. Es ist keinesfalls festgelegt, auf welcher Seite eine geworfene Münze landet und auch die Chance mit einem halb geladenen Revolver jemanden zu erschießen bleibt bei 50/50. Was den Randomizer allerdings um einiges weniger bedrohlich macht, ist die Tatsache, dass ihr wiedermal alle möglichen Wege beschreiten MÜSST, um die Story komplett abzuschließen. Ergo tötet ihr versehentlich eine Person, ist es theoretisch ja egal, da ihr sofort zurückspringen und es noch mal versuchen könnt. Mehr noch, ihr kommt im Spiel gar nicht erst weiter, solltet ihr nicht alle tödlichen Wege beschreiten, die es gibt. Der spürbare Druck und das schlechte Gewissen, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, fällt damit leider schon nach wenigen Runden weg.
In den Räumen, in denen ihr eingesperrt werdet, gilt es wie immer verschiedene Aufgaben zu lösen. Für geübte Rätselmeister stellt dies keine sonderliche Herausforderung dar. Häufig gibt es ähnliche Rätsel oder sie lassen sich durch reines Herumprobieren lösen. Allerdings rücken die Escape-Rooms im dritten Teil sowieso deutlich in den Hintergrund, da die Entscheidungen der eigentliche Dreh und Angelpunkt des Spieles sind. Ab der Hälfte der Geschichte beschränkt sich das „Gameplay“ deshalb auch nur noch auf die Videosequenzen.
Was wie gewohnt sehr gut gelungen ist, ist die packend düstere Story. Natürlich setzt das Spiel auch auf die schon bekannten Charaktere, die die Geschichte vorantreiben sollen, was ziemlich gut funktioniert. Die Storys von Team C und D schließen direkt an die Vorgänger an und bekommen dadurch noch etwas mehr Tiefe. Die Bindung innerhalb der Teams wird dabei immer glaubwürdig und sehr emotional dargestellt. Hier zeigt sich die klare Stärke des Spieles, nämlich der narrative Erzählstil und das (zugegebenermaßen vom Vorgänger übernommene) solide Charakterdesign. Untermalt wird das Ganze mit melancholischen, altbekannten und neuen Klängen, die viele Erinnerungen wach rufen. Durch Bezüge, die die Charaktere zu den Vorgängern ziehen und den qualitativ hochwertig synchronisierten Zwischensequenzen, die diesmal wahlweise in Japanisch oder Englisch verfügbar sind, sorgt das Spiel für unvergessliche, traurige, schockierende, aber auch witzige und schöne Momente.
Falsche Entscheidung beim Grafikstil ?
Eine Augenweide ist das Ganze zugegebenermaßen nicht geworden, da hilft auch kein Cel Shading mehr. Störend ist in erster Line aber nicht nur das, sondern vor allem die ziemlich steifen Bewegungen der Charaktere, die absolut minimalistisch gehaltene Mimik und das regelmäßig ineinander stecken von Körpergliedern, Umgebung und Haaren. Wird eine etwas komplexere Bewegung ausgeführt, so schwenkt die Kamera regelmäßig zur Decke und zeigt erst dann wieder die Charaktere, wenn die Aktion bereits ausgeführt wurde. Für eine Spielgrafik – noch dazu auf dem 3DS – mag das alles noch vertretbar sein, aber, die Szenen, in denen man die Charaktere wirklich interagieren sieht, sind allesamt Videosequenzen. Dafür hätte das Ganze etwas besser und flüssiger aussehen können. Viele der Sequenzen sind zudem unnötig übertrieben blutig. Sekundenlang spritzende Blutfontänen haben mit Realismus einfach wenig zu tun und grenzen oftmals schon ans Lächerliche. Nur in wenigen Abschnitten ist die Brutalität genau richtig dosiert und dem Psychothriller dienlich.
Rückblicke, die in den Vorgängern noch mit hübschen Bildern untermalt wurden, werden aufs absolut Notwendigste reduziert. Da gibt es zum Beispiel den immer gleichen Eisladen, indem weder Kunden noch Verkäufer stehen oder den immer gleichen, leeren Esstisch, welchen sich die Charaktere in der Vergangenheit scheinbar sogar untereinander geteilt haben. Ist es denn zu viel verlangt ein Bild von Carlos Schwester zu offenbaren oder eine Schnecke (ja, eine Schnecke) in einen Wald zu zeichnen?
Fazit
Als großer Fan der Serie stehe ich dem Spiel mit sehr gemischten Gefühlen gegenüber. Kaum eine Geschichte schafft es mich so in den Bann zu ziehen wie die Zero Escape Reihe. Da hält mich auch die gewöhnungsbedürftige Grafik nicht davon ab, Tag und Nacht wach zu bleiben, bis ich schließlich auch das letzte Ende erreicht habe. Ich habe viel geweint, viel gelacht und war mit den Nerven teilweise komplett am Ende – ja, Zero Time Dilemma ist ein wirklich großartiges Spiel – solange ihr es spielt.
Leider wurde die Spielzeit im Vergleich zum Vorgänger auf die Hälfte (!) reduziert. Wo ihr in „Virtue´s Last Reward“ noch mit gut 40 Spielstunden einiges zu tun hattet, ist hier bei knappen 20 Stunden Feierabend. Es gibt deutlich weniger und qualitativ schlechtere Rätsel und auch für Charakterentwicklungen ist einfach zu wenig Zeit, was vor allem beim noch unbekannten Team Q spürbar ist. Erschwerend kommt hinzu, dass einige Plots komplett herausgefallen sind. Gerne hätte ich gewusst, wer „?“ ist oder was mit „K“ und den anderen Charakteren geschehen ist. Versteckte Akten oder geheime Pfade sucht man in diesem Teil allerdings vergeblich. Viele kleine Dinge, wie etwa Sigmas „Cat-Puns“, fanden ebenfalls keine Verwendung mehr und einige frühe Konzeptzeichnungen deuten darauf hin, dass einige Szenen erst anders geplant waren.
Meine Enttäuschung über das Ende des Spieles könnte trotz des wirklich tollen Spielerlebnis deshalb kaum
größer sein. Das offene Ende ist wirklich mehr als unbefriedigend. Es fühlt es sich an, als möchte das letzte Puzzleteil einfach nicht so richtig ins große Ganze passen. Fans müssen sich wohl damit abfinden: „Life is simply unfair“.