Erinnert ihr euch noch an das Gefühl, als Kind etwas wirklich neues und spannendes zu entdecken? Diese Faszination komplett in etwas einzutauchen, was einen in seinen Bann zieht? Dieses Gefühl flammt wieder auf in den ersten Stunden von Stellaris.
Wir beginnen mit dem Erstellen unserer Volkes, bei dem uns nicht nur eine Vielzahl unterschiedlicher Spezies zur Verfügung stehen, sondern wir auch aus verschiedenen Eigenschaften wählen können. Hier wartet direkt die erste Besonderheit: Stellaris stellt uns beim Erstellen unseres Volkes vor die Wahl aus einer Vielzahl von teils gegensätzlichen Ideologien (Militaristisch / Pazifistisch oder Spirituell / Materialistisch). Diese Wahl hat verschiedene Auswirkungen auf unser Spiel und beeinflusst unsere Beziehungen zu anderen Völkern. Außerdem entscheidet die Wahl der Ideologie direkt, welche der 15 verschiedenen Regierungsformen uns zur Verfügung stehen. Dies bringt weitere Boni und Einschränkungen, sowie einiges an Rollenspielpotenzial mit sich. Ihr wollt mit fanatisch-religiösen Pilzwesen zu einem brennenden Kreuzzug ins All aufbrechen? Oder vielleicht doch lieber mit ultra-kapitalistischen Katzenwesen ein Handelsimperium errichten? Mit Stellaris ist beides kein Problem!
Als alter Star-Trek Fan entscheide ich mich zu Anfang jedoch ganz klassisch für die Menschen in einer Föderation nach dem großen Vorbild. So beginnt unser Abenteuer auf der Erde, kurz nach der Entdeckung des Warp-Antriebs. Auf zu fremden Welten, die noch nie ein Mensch zuvor gesehen hat!
Die Entdeckung des Kosmos
Unser Forschungsschiff, die Baracuda (sämtliche Namen von Schiffen, Planeten usw. lassen sich in Stellaris individuell anpassen) bricht in die unbekannten Sternensysteme unserer Nachbarschaft auf und macht alsbald Bekanntschaft mit mysteriösem, außerirdischen Leben. Diese ersten Stunden des Spiels erfassen die Faszination der Erkundung des Weltraums wie man sie aus vielen Vorlagen kennt bestens. Science-Fiction Fans dürfen sich bei Erforschung geheimnisvoller Anomalien und der Herstellung des ersten Kontakts mit einer Alien-Zivilisation auf viele Anspielungen freuen. Generell wird hier auf atmosphärische Weise der Entdecker belohnt und beflügelt. Das hat so noch kein Weltraum-Strategiespiel zuvor geschafft.
Schon bald feuern weitere Events, die uns vor neue Herausforderungen stellen. Die Bekämpfung der Weltraum-Piraterie, die Suche nach bewohnbaren Planeten und die Kolonisierung der ersten fremden Welt. Dabei dürfen wir natürlich den Ausbau unserer Wirtschaft nicht vernachlässigen, schließlich ist sie das Fundament unserer Expansion. Die ersten 10 Stunden des Spiels sind vollgepackt mit neuen Entdeckungen und spannenden Aufgaben, die anders als etwa beim Genre-Konkurrenten Endless Space, stets atmosphärisch verpackt sind.
Allerdings verblasst dieser Zauber spätestens nach der Dritten oder vierten Partie zumindest ein wenig. Zwar sind andere Zivilisationen zufallsgeneriert und somit nie völlig identisch, doch die Zahl der Anomalien und Ereignisse ist recht stark begrenzt. Auch die sonstigen, nicht zivilisierten Weltraum-Kreaturen (z.B. Kristall-Wesen) wiederholen sich schnell. Es gibt nur 6 verschiedene. Natürlich sind Ressourcen bei der Entwicklung begrenzt, doch ein wenig mehr Variation hätte es ruhig sein dürfen. Hier sollte aber einer der kommenden Patches oder DLCs Abhilfe schaffen.
Bombastische Schlachten und mittelmäßige Durchhänger
Spätestens nach etwa 25 Stunden treten wir in die Mid-Game-Phase des Spiels ein. Das Gameplay verändert sich recht stark und bietet neue Herausforderungen. Nun stehen vor allem die Beziehungen mit den zahlreichen anderen Reichen, die uns umgeben, im Vordergrund. Es werden Kriege geführt, Allianzen geschmiedet und Handelsverträge geschlossen. Spätestens jetzt fällt auf, wie wunderschön Stellaris aussieht. Es ist wohl Paradox hübschestes Spiel und setzt den Weltraum, wie auch die Schlachten ausgezeichnet in Szene.
Diplomatie, Handel, Expansionskriege. All das erinnert an die Stärken aus Paradox anderen Titeln, nur sind die einzelnen Systeme bei Stellaris noch deutlich weniger ausgereift. So gibt es nur rudimentäre diplomatische Optionen, wenige Kriegsziele und kein komplexes Handelssystem. Hier hat Paradox inzwischen bereits durch 2 größere Patches leicht nachgebessert und die gröbsten fehlenden Optionen ergänzt. So sind nun z.B. verschiedene Formen von Allianzen möglich. Allerdings kommt es hier noch immer zu KI-Bugs, die Kriege nicht beendet, obwohl die Kriegsziele bereits erreicht sind.
Trotz dieser Verbesserungen fällt nach einigen Partien die mangelnde Tiefe des Mid-Games deutlich auf. Es spielt sich etwas repetitiv und bietet z.B. nur noch sehr wenige Events oder Zufallsereignisse. Hat der Spieler seine benachbarten Rivalen besiegt, bleibt nur die immer gleich Expansion durch Kolonieschiffe und das Erstellen neuer Sektoren. Hier ist dringend mehr Dynamik notwendig um die Langzeitmotivation zu erhalten. Allerdings hat Paradox dieses Problem erkannt und arbeitet bereits am Ausbau des Mid-Games.
Heureka! So geht Forschung
Abgefedert wird diese etwas weniger intensive Phase allerdings zum einen durch mögliche intensive Konflikte mit unseren Nachbarn (etwa auf höheren Schwierigkeitsgraden) sowie durch das spannende Forschungssystem. Denn hier macht Stellaris von Anfang an alles anders und vor allem besser als die Konkurrenz. Forschungsbäume die unseren Weg vorzeichnen gibt es nicht. Stattdessen gibt es ein gewichtetes Zufallssystem. In drei Kategorien werden uns, abgesehen von einigen Standard-Technologien, mehr oder weniger zufällige Technologien zur Wahl gestellt. Welche das sind bestimmt unsere Ideologie, sowie weitere Entscheidungen im Verlauf des Spiels. Außerdem sind sie natürlich durch den nötigen Forschungsaufwand gestaffelt. Dieses System erzeugt ein Gefühl eine Technologie wirklich entdeckt zu haben und macht die Forschung dynamischer und deutlich spannender. Im Langzeit-Test offenbart sich zwar, dass die Varianz der Entdeckungen nicht so groß ist wie Anfangs vom Entwickler angepriesen, aus Balance-Gründen ist dies jedoch durchaus sinnvoll.
Auch die Verwaltung unseres eigenen Reiches ändert sich im Mid-Game, da der Spieler in
der Regel nur 5 Planeten direkt verwalten und deren Ausbau kontrollieren kann. Für alle andere müssen semi-autonome Sektoren errichtet werden. Diese werden von nun an von der KI verwaltet und der Spieler kann nur grobe Richtungen vorgeben. An sich ist dieses System äußerst sinnvoll, damit in sehr großen Reichen, mit Dutzenden von Planeten, nicht ein Mikro-Management-Alptraum entsteht. Allerdings ist dieses System so mit Bugs und Mängeln verseucht, dass es seine Nützlichkeit zum Teil wieder einbüßt. Inzwischen hat Paradox hier zum Teil nachgebessert, doch fehlen immer noch einige Interface-Optionen, die bei einem solchen Titel Standard sein sollten. So ist es beispielsweise immer noch nicht möglich Raumhäfen, die sich in Sektoren befinden, direkt aus der Übersicht anzuwählen. Insgesamt machte das Interface bei Erscheinen einen sehr unfertigen Eindruck und ist in Teilen nach wie vor die größte Baustelle des Spiels.
Am Ende des Universum wartet der Tod!
Nach etwa 25-30 Stunden, beginnt in Stellaris das Endgame, also die letzte Phase des Spiels. Der Spieler hat nun der Regel in vielen Bereichen die höchste Technologiestufe erreicht und ein ansehnliches Reich mit einer größeren Flotte. Doch Technologie und Expansion bringt neue Gefahren. Haben wir etwa künstliche Intelligenz erforscht, droht uns ein Aufstand der Maschinen. Auch Wesen aus andere Dimensionen können zu diesem Zeitpunkt in unsere Galaxis eindringen und uns mit ihren mächtigen Invasionsarmeen vor eine neue Herausforderungen stellen. Schließlich gibt es die gefallenen Imperien, technologisch hochentwickelte Zivilisationen die sich der Isolation verschrieben haben. Gegen Ende des Spiels ist der Spieler möglicherweise in der Lage es mit Ihnen aufzunehmen. Diese Vielzahl an Möglichkeiten zeigt, das Stellaris im Endgame wieder stark an Dynamik gewinnt und durch den brillanten Einsatz dieser „Katastrophen“ die Monotonie aufzubrechen versteht. Wenn Paradox auch hier mit der Zeit die Vielfalt erhöht, wird die Endgame-Phase des Spiels eine große Stärke bleiben.
Fazit:
Stellaris ist für mich ein gutes Strategiespiel mit Potenzial zum besten 4X-Weltraum Spiel unserer Zeit. Ich sage das ganz deutlich, trotz der kleineren Schwächen die das Spiel momentan noch hat. Das grundsätzliche 4X-Prinzip funktioniert bereits jetzt sehr gut und wird mit einigen genialen, neuen Elementen wie dem Ideologie- und Forschungssystem aufgewertet. Die Optik und Soundeffekte sind stimmig. Die fundamentalen Elemente sind also alle mehr als solide. Es fehlt noch etwas der Feinschliff und ein rundes Mid-Game. Wenn Paradox die KI-Probleme behebt, das Interface poliert und den Leerlauf im Midgame durch neue Inhalte ausbügelt, dann wird ein Diamant des Genres entstehen. Natürlich ist Stellaris, wie alle 4X-Titel kein Spiel für jeden. Doch wer komplexe Strategiespiele mag und etwas mit Science-Fiction anfangen kann, der wird mit Stellaris schon jetzt dutzende, wenn nicht hunderte Stunden Spaß haben.
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