Deponia und die gute alte Box im Fachmarkt
Christian Lange (Gamers.de): Hallo! Danke für die Gelegenheit für das Interview mit Dir!
Jan „Poki“ Müller-Michaelis, Daedalic Entertainment (Poki): Hallo, sehr gerne.
Gamers.de: Ich lege einfach mit einer direkten Frage los. Deponia Doomsday kurz nach Release für 10 € in der Computerbild Spiele – Wie kommt es denn zu so etwas?
Poki: Eine gute Frage und die Einzelheiten dazu kenne ich leider auch nicht genau. Die Idee, die dahinter steckt, stammt hauptsächlich von dem Chef und meinem Mitgründer Carsten. Der ist ein alter Marketing- und PR-Fuchs. Er hatte schon 5 Jahre vorher im Marketing bei der dtp (dtp entertainment) gearbeitet und es ist ihm eine Herzenssache sich bei PR und Marketing Dingen selbst mit einzubringen. Mit Vorliebe auch ungewöhnliche Aktionen. Als er dann mit dieser Idee zu mir kam, fand ich das direkt lustig und stand hinter ihm, weil es sehr ungewöhnlich ist. In Deutschland und auch international, dort in ganz anderen Dimensionen, haben wir das Problem, dass der normale Retail-Markt große Schwierigkeiten hat. Es lohnt sich immer weniger Spiele in eine Box zu stecken und im Fachmarkt in die Regale zu stellen. Deswegen gehen wir auch gerne seltsame Pfade, um trotzdem in die Regalflächen zu kommen. Außerdem war uns klar, dass das für Gesprächsstoff sorgt. Zusätzlich hat es noch einen speziellen Charme, wenn ich abends eine Schachtel Zigaretten hole und dann an meinem Kiosk oder im Bahnhof mein Spiel vorfinde. (lacht)
Gamers.de: Das passt auch irgendwie zum Setting von Deponia (lacht). Aus meiner Sicht lohnt sich Deponia Doomsday so richtig, wenn man die vorherigen Teile gespielt hat.
Poki: Genau. Das Spielerlebnis wird dadurch runder, besonders weil man sich dann nicht über die ganzen Anspielungen auf die ersten drei Teile wundern muss.
Gamers.de: Ihr habt aber, um noch einmal auf die Boxed Versions zurückzukommen, auch eine Deponia Doomsday Box auf den Markt gebracht.
Poki: Genau. Die Box gibt es mittlerweile seit Anfang des Monats im Regal und es ist, wie bereits erwähnt, eine Herzensangelegenheit für uns, dass es diese gibt. Zu unserem Publikum zählen wir natürlich auch alte Retronerds, die genau so denken wie wir. Denen kommt so eine Sammler- oder Boxed Version natürlich gelegen. Das wir einen Fuß in die jüngere Fangemeinde haben und diese bevorzugt digital zuschlägt, freut uns aber auch.
Gamers.de: Ich mag die Boxen auch viel lieber (lacht). Ganz aus dem Nichts kam ja auch die Ankündigung.
Poki: Das war auch wieder so eine, ich sag mal „Cowboy-Idee“, von Carsten (lacht). Einfach mal bis kurz vor Release mit der Ankündigung warten – die Idee fand ich super und ich muss, wenn ich daran denke, auch immer etwas kichern, weil es mir vorkommt wie eine Art Coup.
Gamers.de: Die Gesichter in der Redaktion hättest Du sehen müssen. Plötzlich liegt dort eine Pressemitteilung und das Erscheinungsdatum fällt auf 5 Tage danach. Wir dachten erst, da muss ein Fehler vorliegen (lacht). Es ist richtig beeindruckend, dass das in der heutigen Zeit noch funktioniert. Keine größeren Nennenswerten Leaks oder Ähnliches. Das ist schon eine Leistung.
Poki: Carsten hat im letzten halben Jahr der Veröffentlichung immer wieder Posts gemacht, wo ich dachte: „NEIN! Jetzt verrät er es!“ Es sind immer wieder kleinere Gerüchte aufgekocht, die aber genauso schnell wieder verschwunden sind, weil es keiner wirklich glauben konnte.
Gamers.de: Dazu Deine Worte, dass Goodbye Deponia der letzte Teil ist und kein weiterer folgt.
Poki: Davon war ich auch fest überzeugt. Bis ich mich dann habe breitschlagen lassen, an Doomsday zu arbeiten (lacht). Man fühlt sich aber auch in der Verantwortung, weil viele Fans einfach gerne noch mehr hätten und ich sah darin meinen persönlichen Coup.
Ein Einblick in die Welt eines Autors
Gamers.de: Wenn Du die Geschichten schreibst, orientierst Du dich da an einem Modell? Beispielsweise an die Reise des Helden von Campbell oder Vogler? Oder geht Dir so ein Meisterwerk einfach so von der Hand?
Eine Geschichte ist ja keine zweidimensionale Sache, sondern ein vieldimensionales Konstrukt
Poki: Ja man hat da natürlich für alle möglichen Ebenen etwas. Eine Geschichte ist ja keine zweidimensionale Sache, sondern ein vieldimensionales Konstrukt aus Sachen, die sich im Einzelnen möglicherweise auch in einem Diagramm darstellen lassen. Natürlich gibt es für unterschiedliche Perspektiven auf ein Spiel auch unterschiedliche Konstrukte, die ich als Hilfsmittel zur Hand habe. Davon betrachte ich natürlich nichts als in Stein gemeißelt, aber ich versuche einer gewissen Aktstruktur zu folgen und ich achte darauf, wo ich welche Wendepunkte ansetze. Wo bringe ich neue Informationen rein? Wo etabliere ich wichtige Gegenkräfte oder Nebenkräfte? Ich orientiere mich daran. Beim Spiel wird es aber nochmals komplexer als beim Film, denn hier entsteht eine neue Ebene der Interaktion, weil der Spieler mehrere Optionen hat oder die Dinge in einer nicht vorgegebenen Reihe abhandeln kann. Das errechnet sich dann irgendwie aus Location mal Hotspot mal Items im Inventar mal Interaktionsmöglichkeiten (lacht). Dort wo es dann etwas linearer wird, kann man einen kleinen Zeitdruck suggerieren und das Ganze läuft etwas filmischer und schneller ab. Das öffnet die Möglichkeit für dramatischere Szenen. Wenn es dann wieder langsamer zugeht und man die Spielwelt dem Spieler öffnet, kann er die Geschichte wieder in seinem eigenen Tempo erleben und bekommt die Möglichkeit sich mit der Spielfigur und/oder der Welt zu identifizieren. Man muss dann genau, wie auch der Charakter, erkunden, welche Möglichkeiten zur Verfügung stehen.
Eine Geschichte ist ja keine zweidimensionale Sache, sondern ein vieldimensionales Konstrukt
Gamers.de: Besonders der Zeitdruck in den linearen Passagen wird sehr oft angewandt. Es fällt dann einfach nicht so auf.
Poki: Genau.
Gamers.de: Fast wie abgesprochen passt das auf meine nächste Frage (lacht). Viele Leute nehmen sich kaum noch die Zeit raus, um sich intensiv mit Dingen zu beschäftigen. Mir kommt es so vor, dass in vielen Medien einfach nur noch ein Spannungsmoment auf den nächsten trifft und man lediglich eine Spannungsgerade erhält und keine Spannungskurve mehr. Dadurch geht, finde ich, einiges an Würze verloren. Wie wichtig ist es für Dich, sich für eine gute Geschichte Zeit zu nehmen?
Poki: Aus Autorensicht wünscht man sich natürlich, dass die Leute sich die Zeit nehmen. Ich glaube es gibt eine gewisse Müdigkeit dieser Effekthascherei. Die Menschen wünschen sich, so wie ich das sehe, dass man sich mit der Welt auch auf einer ruhigen Ebene auseinandersetzt, um dann Anlauf zu nehmen. Da gehen mir solche Strömungen recht, die es etwas langsamer angehen. Zum Beispiel der neue Star Wars Film. Der orientiert sich dramaturgisch sehr viel mehr an den alten Teilen und nicht an dieses überhastete. Es ist schön, dass er auch seine ruhigen Momente, seine Establisher, drin hat. Es fühlt sich an wie eine Rückkehr zu alten Erzählmustern und man merkt, dass dieses Action Action Action vielleicht gar nicht mehr so zieht. Aber das sind auch Wellenbewegungen im Geschmack des Publikums. Ende de
r Achtziger, Anfang der Neunziger hatten wir das auch schon. Da lag der Fokus ebenfalls auf diesem Actionkino und den Effekten. Irgendwann hatte sich der Markt aber übersättigt und man wusste nicht mehr wohin. Folglich kam wieder etwas Ruhe rein. Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Phänomen nach so vielen Superheldenfilmen abermals auftauchen könnte.
Das ist wie wenn man eine Bauanleitung für ein Ikea Regal mit einem Stephen King Roman vergleicht.
Spieldramaturgie ist aber ein schwieriges Feld, weil es gar nicht von so vielen Leuten beackert wird. Viele betrachten die Geschichte im Spiel eher als ein nettes Feature, während wir unser Hauptaugenmerk darauf legen. Erst im Nachhinein haben wir uns für das Spiel als Waffe der Wahl entschieden, weil wir denken, dass man damit die Geschichten noch besser erzählen kann. Das ist eben ein komplett anderer Ansatz als: „Komm wir haben hier das Spiel, schreib‘ mal ´ne Geschichte dazu.“ Wenn man es aus dieser Perspektive sieht, ist es auch Mandat alle Teile einer Geschichte erzählen zu können. Man will das als Autor auch. Das bedeutet auch die ruhigen Passagen zu erzählen. Da stehen wir, deswegen dieser weite Bogen, insgesamt bei der interaktiven Dramaturgie noch relativ am Anfang. Wir haben noch längst nicht herausgefunden, wie wir jeden Teil einer Geschichte interaktiv erzählen können. Wir können natürlich alles ins Spiel packen, beispielsweise als selbst ablaufende Sequenz. Wir wissen aber noch nicht, wie man all diese Komponenten einer Geschichte interaktiv erzählen kann. Oftmals fällt das leider gar nicht auf, denn bei Spielen wird direkt immer über alles Mögliche gesprochen. Jedes zweite Spiel macht ein eigenes Subgenre auf und wird, in diesem riesigen heterogenen Gemisch von Fifa 16 über Solitär und Tetris bis hin zu The Witcher, oftmals über einen Kamm geschoben und einfach als „Spiel“ definiert. Das ist wie wenn man eine Bauanleitung für ein Ikea Regal mit einem Stephen King Roman vergleicht. Nur weil beides gedruckt ist. Das ist in etwa die Spannbreite, die wir bei Spielen betrachten. Hier fehlt dann oftmals ein ernsthafter Dialog und es wird leicht übersehen, dass wir noch am Anfang als Pioniere an der interaktiven Dramaturgie und Narration arbeiten. Sehr viele Sachen wurden noch nicht ausprobiert und selbst wenn sie probiert worden sind, kann es sein, dass diese untergegangen sind, weil es immer genug andere Sachen gibt, über die man redet.
Gamers.de: Das ist wahr, leider bleibt so etwas dann auf der Strecke.
Poki: Deswegen bin ich froh, dass wir uns dafür auch etwas Zeit nehmen und es immer noch schaffen neue Sachen auszuprobieren. Dadurch haben wir den Effekt, dass wir eine Art Evolution durchlaufen und immer neue Mittel und Wege finden, um Erzählmethoden darzustellen.
Gamers.de: Der Artstil und die Musik erzählen häufig auch schon ohne eine konkrete Geschichte eine Eigene. Im Falle Deponia passt es meiner Meinung nach einfach ideal.
Poki: Absolut. Das ist eine der ersten Lektionen, die man mitnehmen kann. Ein Adventure erzählt sich alleine über den Aufbau der Screens. Man könnte auch eine komplette Adventure Geschichte ohne Text erzählen, indem man einfach den Charakter über die Screens laufen lässt und ihn mit dem einen oder anderen Gegenstand interagieren lässt. Man darf nicht außer Acht lassen, dass dahinter aber ein riesiges Budget steckt. Es ist nicht wie im Film, wo man einfach 1-2 Stunden Unterhaltung betreibt, sondern direkt 15 bis 20 Stunden und das ganze mit einem Bruchteil des Budgets eines Films. Man kann leider nicht, auch wenn man es noch so gerne möchte, jeder einzelnen Aktion die das Spiel auslösen kann eine Sonderanimation verpassen. Sonst hätte man direkt 40 Stunden Animationsfilm. Das geht mit einem Spielbudget für gewöhnlich nicht. Aber das dürfte ja klar sein (lacht). Deswegen sind wir so stolz auf Deponia, weil es trotzdem wie ein kleiner Animationsfilm herüberkommt. Im Falle Doomsday haben wir noch mehr darauf geachtet stilistische Mittel zu benutzen und es ist uns gelungen. Aktiv bekommt man das als Spieler vielleicht nicht so mit, aber man merkt vielleicht unterbewusst, dass alles lebendiger wird.
Deponia über das Spiel hinaus
Gamers.de: Da Stimme ich zu, da steckt viel Arbeit dahinter. Wird Dir Deponia jetzt fehlen, wo es jetzt offiziell erneut vorbei ist?
Poki: Klar, aber es ist ja nie wirklich aus der Welt. Als ich davon ausging, dass es keinen 4. Deponia Teil gäbe, haben wir beispielsweise das Pen & Paper gemacht, welches mich wieder in die Welt gebracht hat. Mittlerweile habe ich den Eindruck, dass die Welt richtig komplex geworden ist und es auch viel Lebendiges außerhalb des Spielrahmens gibt. Das führt dazu, dass die Welt sich schon fast von alleine am Leben hält. Auch wenn es in absehbarer Zeit erst einmal kein weiteres Spiel geben wird, habe ich den Eindruck, dass mich Deponia trotzdem weiter beschäftigen wird und es auch für mich lebendig bleibt. Es gibt zwar keine konkreten Pläne, aber man kommt als Autor immer wieder zu seinen Werken zurück. Ähnlich ist es auch mit dem „Ednaversum“, wie es liebevoll von unserer PR genannt wurde, denn da habe ich vor etwa einem Jahr auch einen Comic gemacht. Es kommt also immer wieder etwas Kleineres auf einen zu, obwohl man nicht wirklich an der Thematik arbeitet.
Gamers.de: Gerade mit dem Pen & Paper ranken sich bestimmt massiv Geschichten um und auf Deponia. Segnest Du auch Community Geschichten ab?
Poki: Nunja, Geschichten, die wir nicht selbst veröffentlichen, kann ich ja auch nicht absegnen (lacht). Aber die speziellen Inhalte im P&P habe ich natürlich sorgfältig geprüft. Vieles habe ich da auch selbst geschrieben. Allein die Weltenbeschreibung umfasst etwa 80 Seiten. Da habe ich mich voll reingesteigert. Die 80 Seiten habe ich der armen Mháire und dem armen Nico dann auf den Tisch geknallt (lacht). Ich habe mich richtig gefreut als ich dann die ersten Artworks und Community Charaktere online gesehen habe. Besonders lustig fand ich, dass ich den einen oder anderen Charakter wiedererkannt habe. „Moment, den kenn ich doch!“, dachte ich häufiger (lacht). (Anmerkung: Mháire, Nico und ein Let’s Play zum Deponia Pen & Paper findet ihr HIER)
Gamers.de: Das muss einfach super sein (lacht). Bekommt ihr noch immer fleißig Fanpost oder gar Besuch vor Ort?
Poki: Fanpost kriegen wir sehr viel. Unsere Community ist super kreativ und hat eine tolle Energie. Das geht von Zeichnungen, über Comics bis hin zu Cosplays oder eigenen Geschichten. Das volle Programm. Es ist erstaunlich, wie qualitativ hochwertig die Fanpost zum Großteil ist. Besonders auch im Zusammenhang mit Edna habe ich viele tolle Werke bekommen. Ich habe mit meiner fehlenden Grafiker Ausbildung und meiner linken Hand gerade so die Figuren und Hintergründe gezeichnet. Mittlerweile konnte ich den Profis über die Schulter sehen und konnte mir den einen oder anderen Trick abgucken. Wenn ich aber sehe, was die Community macht, wie sie so unglaublich gute Gemälde, von den Figuren die ich damals gezeichnet habe, auf die Leinwand bringt, bin ich schwer beeindruckt.
Gamers.de: Ist bestimmt auch ein super Gefühl, wenn die Community so hinter einem steht.
Poki: Auf jeden fall.
Gamers.de: Da die Spieleindustrie durchaus mal sehr schnell stressig werden kann, lohnt sich das
Feedback umso mehr.
Poki: Absolut. Häufig denkt man in der Produktion: „Wie sollen wir das nur durchhalten?“ Besonders schlimm ist es, wenn man monatelang keine Wochenenden gehabt hat. Zumindest geht mir das so. Gut, ich bin ja nebenbei auch noch Mitgründer und da ist es schon selbstverständlich, dass man über die Uhr arbeitet. Ich verliere da manchmal das Maß und merke dann, dass ich die dritte Nacht hintereinander keinen Feierabend gemacht habe und einfach weiter gearbeitet habe. In solchen Situationen kommen mir dann solche Fragen in den Kopf. Wenn dann aber das Feedback kommt, weiß man wieder, warum man es macht und es fällt leicht weiter zu arbeiten.
Spielebranchitis
Gamers.de: Wenn wir uns die Spielebranche in Deutschland ansehen, was könnte man tun. um diese zu verbessern? Wie könnte man erreichen, dass man sein Spiel auch international mehr vertreiben kann?
Poki: Das ist schwierig. Das hängt glaube ich alles tatsächlich an den Schwierigkeiten der Verbreitung. Das Heimterritorium ist einfach nicht groß genug um sich schnell refinanzieren zu können. Man ist darauf angewiesen sich international zu verbreiten und es wird immer schlimmer, weil die Spiele immer günstiger werden. Spiele, die man in Aktionen und Sales in den digitalen Einkaufswagen steckt, sind da auch mit Schuld dran. Man kann auch sehr gut, vielleicht nicht ganz so aktuell, viel zocken, wenn man maximal 2 € für ein Spiel ausgibt. Sonderbar ist, dass die Leute dann trotzdem 60 € für ihre AAA-Titel auf den Tisch legen. Das gesunde Zwischensegment, mit etwa 30 €, ist jedoch am Aussterben. Das mag niemand mehr bezahlen, auch nicht wenn es das Spiel wert wäre. Das interessiert aber keinen. Viele sind verwöhnt von der „Umsonstkultur“ und viele haben mit Sicherheit auch immer weniger Geld zur Verfügung. Als Entwickler ist man dann plötzlich darauf angewiesen in diesem Preiskampf mitzumachen und einen Titel, welcher einen gewissen Produktionswert hat, für unter 20 €, dann für unter 10 € und letztendlich unter 5 € anzubieten. Sonst läuft man in Gefahr von der Käuferschaft übersehen zu werden. „Wie können die sich erdreisten ein Spiel für 30 € in den Laden zu stellen, das ist eine absolute Frechheit!“ So etwas müssen wir lesen. Kein Scherz.
Gamers.de: Ich habe so etwas auch schon des Öfteren gehört und gelesen.
Poki: Ja. Dann kann man sich ausrechnen, dass man alleine mit der deutschen Spielergemeinschaft, egal wie gut das Spiel läuft, nicht auf seine Kosten kommt und daher braucht man den internationalen Markt. Aber dort muss man, wie gesagt, erst einmal sichtbar werden. Das Problem ist, dass viele Entwickler sogar in Deutschland damit große Probleme haben. Da muss man sich was einfallen lassen.
Gamers.de: Vielleicht fehlen hier an den richtigen Stellen Fördergelder? Im Film sieht das ja schon ein wenig anders aus.
Wir wollen auch nicht unbedingt dort landen, wo der deutsche Film gelandet ist.
Poki: Definitiv. Da gebe ich Dir absolut recht. Wobei das natürlich auch seine Grenzen hat. Wir wollen auch nicht unbedingt dort landen, wo der deutsche Film gelandet ist. Alle Filme, die in Deutschland entstehen, werden im Prinzip nur für die Filmförderung geschrieben und nicht für das Publikum. Da entsteht einfach eine Art Schere. Wenn du beispielsweise einen Klamaukfilm machst, dann hast du Probleme eine Förderung zu bekommen. Es sei denn du bist Bully Herbig oder Til Schweiger, dann kriegst du sie trotzdem (lacht). Falls nicht, dann musst du eben nachweisen, dass dein Werk kulturell wertvoll ist. Für einen lustigen Fantasy Action Film wird dir niemand Geld geben. Dementsprechend gibt es eine ganze Industrie, die nur darauf ausgerichtet ist, Filme für soziale Mikrokosmen zu machen. Es wird nur zwischen U und E Medien unterschieden. Unterhaltungsmusik und ernste Musik, Unterhaltungsfilmen und ernsten Filmen. Bei den Spielen fängt das auch schon an. Beim DCP wird (Deutscher Computerspiel Preis) immer und immer wieder betont, dass nur Spiele, die einen kulturellen Anspruch haben, ausgezeichnet werden. Aber was ist ein kultureller Anspruch? Das wird darauf hinauslaufen, dass es auch nur noch U und E Spiele geben wird. Das ist aber vor allem bei Spielen totaler Quatsch, weil Spiele einfach oftmals eine Mischform sind. Ich bin als Autor gar nicht daran interessiert etwas zu schreiben, was entweder das eine oder das andere ist. Ich will eine interessante Geschichte, die literarisch anspruchsvoll ist, aber auf der anderen Seite sollte sie die Leute nicht langweilen. Sonst würde mir beim Schreiben auch langweilig werden. Dementsprechend mache ich eben nur Geschichten, die mir genügen. Dann stehst du in Deutschland jedoch zwischen den Stühlen. Zwischen U und E und wirst hin und hergeschoben. Das ist in der Spielebranche glücklicherweise noch nicht so durchwachsen. Das liegt, wie anfangs erwähnt, mit daran, dass die Spielebranche so heterogen ist und es nicht viele Entwicklerstudios in Deutschland hat. Besonders, wenn man die Indie-Studios weglässt die merken: „Oh. Damit können wir uns nicht über Wasser halten.“ Manchmal kann man sich national platzieren, aber es fehlt dann der Rückenwind um sich ordentlich international zu platzieren. Einzelfälle und Ausnahmen gibt es natürlich immer.
Gamers.de: Vielen Dank. Wir kommen dann auch dem Ende zu. Möchtest Du noch ein paar abschließende Worte an die Deponia und Daedalic Fans loswerden?
Poki: Oh! Ja! Bleibt uns gewogen (lacht). Vielleicht mache ich irgendwann mal ein Spiel mit Happy End.
Gamers.de: Die Zeit wird es zeigen (lacht). Vielen Dank für Deine Zeit für das Interview und ich hoffe, wir kommen bald wieder zusammen.
Poki: Gerne. Ich danke Dir für das Interview.