„Leider nur zweiter Sieger!“ ist ein Satz den Sébastien Loeb nicht häufig gehört hat in seiner Karriere. Der Franzose wurde in den Jahren 2004-2012 schlanke neun Jahre in Folge Weltmeister, fuhr 78 Rallye-WM Siege ein und hält nahezu alle relevanten Rekorde in diesem Zweig des Motorsports. Kurz: Er ist der Beste aller Zeiten. Das ist natürlich ein Attribut mit dem man sich im Hause Milestone nur zu gerne assoziieren lässt.
Being Sébastien Loeb
Und tatsächlich muss man die sogenannte „Loeb Experience“ ausdrücklich loeben. Hier wird die Lizenz des Rekordmeisters optimal ausgenutzt und man bekommt die Möglichkeit viele Stationen seiner beispiellosen Karriere nachzuspielen – garniert werden die Rennen, die auch Loebs Ausflüge ins Hillclimb- und Rallyecross-Metier umfassen – mit gut gemachten Interviews des Franzosen, sodass man ein wenig das Gefühl hat, eine Art interaktive Dokumentation nachzuspielen. Daumen hoch für die Loeb Experience!
Überhaupt kann man was den Content betrifft wenig meckern. Zwar ist der eben beschriebene Modus das Highlight, aber auch der Karrieremodus kann sich sehen lassen. Zwar strotzt er nicht gerade vor Innovationen und bleibt in puncto Präsentation hinter der Loeb Experience zurück, aber immerhin gibt es 58 Fahrzeuge aus verschiedenen Dekaden des Rallyesports freizuspielen und die Motivationsspritzen in Form von Prestigepunkten und Credits funktionieren gut. Man möchte ja nicht ewig in dem Klapperkasten von Peugeot herumstottern. Um gerade zu Beginn der Karriere aufs Treppchen zu fahren, ist der Einsatz des Rewind-Features zu empfehlen. Per Knopfdruck können wir ein paar Mal pro Rennen die Zeit zurückdrehen, um etwaige Fahrfehler ungeschehen zu machen. Auf diese Weise können wir uns auch mal das durchaus gelungene Schadensmodell ansehen bevor wir wieder in die Vergangenheit springen und beschließen doch nicht zu versuchen eine hundertjährige Kiefer mit der Stoßstange zu fällen.
So sparen wir nach und nach auf die protzigeren Vertreter der Gattung Auto und fegen irgendwann mit den Imprezas. Lancers und Stratos dieser Welt über die Pisten. Diese hat man bei Milestone dieses Mal mit viel Aufwand gebaut: Gut 300 km Rennstrecke wurden mithilfe von GPS-Erfassung in Australien, Finnland, Frankreich, Italien, Mexiko, Monte Carlo, Schweden und Frankreich erfasst und mit all ihren Tücken, Kehren und Kuppen in Software verwandelt. Deutlich spürbar sind dabei die wechselnden Eigenschaften der verschiedenen Untergründe. Selbst wenn wir per Zauberhand die Farbe der Texturen ausschalten könnten, würden wir immer noch spüren können ob wir gerade auf Schotter, Asphalt oder Eis unterwegs sind – wobei das Rennen im nächtlichen Finnland mir am meisten Spaß machte. Schade, dass des Weihnachtsmanns Schlitten nicht freischaltbar ist!
Die Schlaglöcher in der Piste
Denn leider fährt sich ohnehin jeder Wagen ein bisschen so als ob er auf Kufen dahingleiten würde. Das Kernstück eines jeden Racers, ob Simulation oder Arcadeflitzer, ist bei Sébastien Loeb Rally Evo leider nur Mittelmaß. Zwar ist man mit ausgeschalteten Fahrhilfen sehr stark gefordert, sodass der Anspruch an den Fahrer definitiv stimmt. Leider fühlt sich das Fahren aber künstlich an und es fehlt das Gefühl, tatsächlich ein Auto zu steuern, dessen breite Reifen sich ihren Weg wühlen, angetrieben von einer brüllenden PS-Maschine. Und wenn man nicht gerade frontal einen Baum tackled fehlt es an Feedback an den Spieler. So bleiben viele Eigenheiten der Wagen nicht nachvollziehbar. Der Rallye-Konkurrenz gelingt es deutlich besser uns ein Gefühl dafür zu geben, wann ein Wagen ausbricht oder welcher Bolide besonders empfindlich auf die Bremse reagiert.
Technisch kann Sébastien Loeb Rally Evo nicht überzeugen. Speziell auf der Xbox ist die Bildrate stellenweise inakzeptabel für ein Rennspiel und auch die Pop-Ups sind, wenn auch nicht entscheidend, mindestens ärgerlich. Verwaschene Texturen, leichtes Tearing und Kantenflimmern runden den optisch insgesamt unausgegorenen Eindruck ab.
Fazit
Sébastien Loeb Rally macht ein paar Dinge wirklich sehr gut. Dabei sticht der Modus Loeb Experience heraus: Die Mischung aus Doku und spielbarer Karriere hat es uns angetan und sollte ihren Weg auch in andere Genre finden. Auch der Umfang geht mit über 50 Boliden, der motivierenden Karriere und über 300 km Strecke voll in Ordnung.
Leider hat man technisch seine Hausaufgaben nicht erledigt, was sich vor allem im Fahrverhalten niederschlägt. Im Test fehlte uns die Griffigkeit im Handling der Rallye-Karossen. Hier hat die Konkurrenz von Codemasters mit Dirt Rally für den PC die Nase vorne. Und wenn im April die Konsolenfassung erscheint, wird Loeb wohl nur das Nachsehen bleiben. So scheitert man bei Milestone leider an der Konkurrenz.
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