Lange haben wir gewartet bis uns Hideo Kojima und Konami ein neues Metal Gear Solid schenkten. Und auch wenn die Ehe zwischen Publisher und Chef-Entwickler nicht gehalten hat, kann sich der jüngste Spross der langjährigen Partnerschaft durchaus sehen lassen!

Der „Hallo, wach!?“-Effekt

Die Handlungsstränge von Metal Gear Solid-Titeln passen auf einen Bierdeckel. Vorausgesetzt der Bierdeckel hat mehrere plötzliche Drehungen, Wendungen, besitzt die Fläche des Saarlandes und krümmt sich in die vierte Dimension und wieder zurück. Will sagen: Die Story von Metal Gear Solid ist durchaus verwoben.

Teil 5, The Phantom Pain, schickt sich an, die Geschichte von Naked Snake alias Big Boss zu beenden und die Lücke zum ersten Metal Gear-Teil zu schließen.

Bereits vor über einem Jahr konnten wir im Budget-Titel Ground Zeroes einen Vorgeschmack darauf bekommen, wie MGS 5 sich anfühlen und aussehen würde. Im Verlauf des Spiels machten wir in kleinem Rahmen Kuba unsicher bevor am Ende des Spiels unser Helikopter von einer Explosion erfasst wurde.

Zu Beginn von The Phantom Pain müssen wir nun feststellen, dass diese Explosion es ziemlich in sich hatte. Denn Snake wacht erst 1984, geschlagene 9 Jahre später wieder auf und muss verdauen, dass nicht nur seine alte Privatarmee von der Organisation Cipher in Stücke geschlagen wurde, sondern auch sein Körper. Zahllose Schrapnelle stecken in seinem Körper und sein linker Unterarm musste durch eine Prothese ersetzt werden. Zu allem Überfluss wird das Krankenhaus in dem er zu sich kommt von Cipher-Soldaten angegriffen, die Snake endgültig beseitigen wollen.

Damit beginnt ein Prolog, der sich gewaschen hat. Wer sich beim Starten des Spiels dachte „Ach, ich spiel mal eine halbe Stunde und geh dann mit dem Hund raus“ wird sich auf die Stärke des Schließmuskels seines vierbeinigen Freundes verlassen müssen, denn hier geht es lang und hart zur Sache. Der Auftakt des Spiels ist großartig und ziemlich brutal inszeniert, besitzt die Länge eines stattlichen Kurzfilms und streut bereits einige „Ach du Scheiße!“ und „Was zum Henker war das bitte?!“-Momente ein. Ich sage nur riesiger brennender Wal und hülle mich anschließend in ungläubiges Schweigen.

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Wie ist es um die Story bestellt?

Glücklicherweise besitzt Big Boss aber nicht nur Feinde, sondern kann auch auf treue Verbündete zählen. Revolverheld Ocelot kommt uns zur Hilfe und gemeinsam mit ihm und unserem alten Weggefährten Kaz schwören wir Rache an Cipher und deren Anführer – dem ebenso skrupellosen wie vernarbten Skull Face.

Doch aller Anfang ist schwer. Unsere Privatarmee gibt es nicht mehr und unser Hauptquartier hat den feigen Angriff vor 9 Jahren nicht überstanden – uns bleibt also keine Wahl als ganz von vorne anzufangen. Und das bedeutet: Geld verdienen. Als Söldner übernehmen wir allerlei Aufträge für den Meistbietenden und verdingen uns in Afghanistan und Afrika. Dabei rekrutieren wir nach und nach Soldaten für unsere „Diamond Dogs“, bauen unsere Mother Base weiter aus und halten immer Augen und Ohren auf in dem alles überlagernden Bestreben uns an Cipher zu rächen.

So beginnt eine Geschichte, deren 50 Hauptmissionen uns gut und gerne 30 Stunden unterhält, zwar die serientypischen Twists für uns bereithält, aber im Vergleich zu anderen Metal Gear-Teilen etwas geradliniger daherkommt. Nach einem atemberaubenden Prolog verliert sich das Pacing etwas – auch durch den neuen Open World-Ansatz von Phantom Pain, der dem Spieler zwar größere Freiheiten lässt aber natürlich nicht das gut getaktete Erzähltempo eines stringenten und geradlinigen Videospiels bieten kann. In der zweiten Spielhälfte kommt Metal Gear Solid 5 aber noch einmal ordentlich in Wallung und endet äußerst rund und befriedigend – was nicht heißen soll, dass einige der Enthüllungen gegen Ende nicht noch für Gesprächsstoff sorgen!

Wer die Story in all ihren Facetten genießen möchte, sollte sich jedoch vor dem Spielen mit den Geschehnissen aus Metal Gear Solid 3 und Peacewalker vertraut machen. Das ist zwar kein Muss und auch keine notwenige Voraussetzung, um mit dem Titel Spaß zu haben, verleiht Handlung und Charakteren jedoch mehr Tiefe. Absolut empfehlenswert ist es jedoch, sich neben den Missionen die Kassetten anzuhören, die Snake in nach und nach auf seinem iDroid abspielen kann, Diese erzählen die Geschichte weiter und geben wichtige Hintergrundinformationen.

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Das Fleisch auf dem Knochen – Content für über 100 Stunden

Doch natürlich ist Metal Gear Solid 5 mehr als nur Story. Der Star von Phantom Pain ist das Gameplay, das uns mehr Handlungsfreiraum lässt als jedes andere Metal Gear bevor. Denn auch wenn die einzelnen Missionen kaum einen Innovationspreis hinsichtlich ihrer Ziele gewinnen werden (Eliminiere X, Rette Y, Stehle Z etc.), können wir den Weg zum Ziel äußerst individuell gestalten.

Dabei helfen uns nicht nur unsere zahlreichen Gadgets wie eine aufblasbare Soldatenattrappe, der altbewährte Pappkarton oder die unverzichtbare Betäubungspistole weiter, sondern in erster Linie der eigene Verstand. Wie knacke ich einen feindlichen Außenposten am besten? Versuche ich mich ungesehen hineinzuschleichen? Agiere ich als Scharfschütze und laufe Gefahr unter Mörserbeschuss zu geraten? Laufe ich in die Basis wie Rambo und stelle meinen Feinden meinen guten Freund den Raketenwerfer vor? Oder agiere ich mit besonderer Raffinesse und einer Mischung aus Sprengfallen, Ablenkung und wohldosierten Handkantenschlägen aus den Schatten heraus? Es stehen viele Wege offen! Nach erfolgreicher Mission werden uns die versteckten Missionsziele angezeigt, wie etwa „Finde den Bauplan“ oder „Bleibe unentdeckt“. Auf Wunsch können wir jede Mission erneut angehen, um alle Ziele zu erfüllen und so mehr GMP, die Währung in MGS5, zu verdienen und ein besseres Agenten-Rating zu bekommen. Die KI verhält sich insgesamt sehr gut, überprüft verdächtige Geräusche mit Taschenlampe und Patrouille, offenbart aber auch immer wieder Schwächen. Freilich wäre das Spiel gegen eine perfekte Künstliche Intelligenz jedoch auch witzlos.

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Die Steuerung geht dabei sehr flüssig und organisch von der Hand. Die Zeiten in denen das Gamepad der schlimmste Feind des Agenten war, sind Gott sei Dank schon lange gezählt. Nach kurzer Eingewöhnungszeit gleiten wir schnörkellos aus dem Vollsprint in die Hocke, schnellen durch das Inventar und fordern Munition im Schlaf an. Lediglich das automatische Deckungssystem hat immer mal wieder Aussetzer und versteht nic
ht immer, was wir von ihm wollen. Auch optisch gibt es wenig zu meckern. Die Animationen sehen sauber aus und gerade in der Mimik der Charaktere offenbart die Fox Engine ihre Stärken. Auch die Wetter- und Beleuchtungseffekte sind absolute Hingucker! Allerdings hätte die Landschaft für unseren Geschmack ein Tick mehr Abwechslung vertragen können und kann außer einem Meer von graubraun wenig Akzente liefern und auch wenn es (einfangbare!) Fauna gibt, wirken die Areal doch deutlich liebloser gestaltet als in anderen Open-World Titeln.

Halt mir den Rücken frei!

Zwar bleibt das Spiel seinen Wurzeln als „Einer gegen Alle“-Szenario treu, möchte uns aber auch nicht ganz ohne Unterstützung in die Wildnis entlassen. Zum einen wäre da der Hubschrauber-Support den wir anfordern können, um schnell aus einem Missionsgebiet zu entkommen oder um feindliche Stellungen gezielt anzugreifen, sollten wir mal jeglichen Gedanken an Stealth in den Wind schießen wollen. Zum anderen stellt und das Spiel Begleiter zur Verfügung. Im Laufe des Spiels können wir zwischen unserem treuen Pferd, dem Wolf D-Dog, der Sniper Quiet und einem Mecha-Laufanzug für Snake wählen. Jeder der Buddies favorisiert eine andere Vorgehensweise. Vom Rücken des Pferdes aus etwa sind wir mobiler, können sogar Panzerfäuste abfeuern und werden zum Schrecken für feindliche Fahrzeuge. Zumal unser Streitross auf Befehl hin Pferdeäpfel fallen lässt, auf der Vehikel ins Schleudern geraten. Nicht zu hundert Prozent logisch, aber ein gutes Beispiel für den klassischen Kojima-Humor. D-Dog hingegen ist auf das Erschnüffeln und Markieren von Pflanzen und Soldaten trainiert worden und bellt auf Zuruf, um Feinde abzulenken. Mit dem Walker Gear verwandelt Snake sich leicht zu einer Ein-Mann-Armee und profitiert von der starken Frontpanzerung.

Die interessanteste Weggefährtin ist jedoch Quiet. Diese muss erst im Rahmen einer Nebenmission rekrutiert werden und leistet fortan exzellente Schützen- und Aufklärungsarbeit. Was es mit der ebenso mysteriösen wie freizügigen Dame (Hand aufs Herz Hideo, hast du sie nur deswegen so designed, damit für Nerds schöne Cosplay-Zeiten anbrechen?) auf sich hat, sollte aber jeder Spieler selbst ergründen.

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Wo wir schon einmal Nebenmissionen ansprechen. Davon gibt es eine ganze Menge – über 150 haben ihren Weg ins Spiel gefunden. Dort gilt es besonders qualifizierte Soldaten ausfindig zu machen, gegnerische Panzerverbände in die Luft zu jagen und Gefangene zu befreien. Gerade zu Beginn sind diese optionalen Missionen eine gute Fingerübung und sind wichtig, um unsere Finanzen sicherzustellen. Aber Moment – wofür brauchen wir das viele Geld doch gleich?

Der zweite Pfeiler: Basenbau

Um es kurz zu machen: Für so einiges! Mit den GMT und anderen sammelbaren Ressourcen wie Metallen und Treibstoff treiben wir den Bau unserer Mother Base voran und fügen der Basis vor den Seychellen immer weitere Plattformen hinzu. Unser bester Freund bei der Beschaffung der notwendigen Ressourcen ist der Fulton-Rettungsballon. Mit ihm können wir bewegungsunfähig gemachte Soldaten zwangsrekrutieren, deren Stärken und Schwächen wir vorher per Fernglas ausgespäht haben. Ich musste noch beim fünfzigsten Mal schmunzeln, bei dem ein Feind einen lang gezogenen Laut der Verwunderung ausstößt wenn er wieder aufwacht, um Sekunden später mit 200 Sachen gen Himmel katapultiert zu werden. Später besitzt unser Ballon sogar so viel Zugkraft, dass wir ganze Panzer oder Container abtransportieren können.

Bald schon beherbergen wir nicht nur einen eigenen Versorgungstrupp, der uns im Feld unterstützt auf unserer Basis, sondern auch einen Informations-, einen Sanitätstrupp und weitere nützliche Einrichtungen. Am meisten Spaß macht jedoch die Research And Development-Plattform, wo wir neue Gadgets, Waffen, Anzüge oder Ausrüstung für unsere Begleiter in Auftrag geben können.

Auch noch nach zig Stunden bleibt der Basenausbau und das Erforschen des neuen Gears ein motivierendes Gameplayelement, mit dem wir äußerst bereitwillig viel Zeit verbringen. Neben den Missionen schauen wir immer mal wieder vorbei, schauen wie der Ausbau und die Forschung so voranschreiten und schicken einzelne Kampfverbände sogar auf eigene Missionen, um den Cashflow am Laufen zu halten.

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Abgerundet wird das ganze durch die FOB-Missionen. Forward Operating Bases sind kleinere Außenposten, die wir nach und nach (auch durch Mikrotransaktionen) erwerben können und eine weitere Stütze unseres Einkommens bilden. Bei vorhandener Online-Anbindung können wir die Basen anderer Spieler überfallen und deren Ressourcen und Personal rauben – das Spielchen kann man aber auch zu zweit spielen. Wird unsere FOB von menschlichen Kontrahenten angegriffen während wie selbst online sind, können wir jedoch unsere KI-Soldaten bei der Verteidigung unterstützen und ein spannender PvP-Kampf beginnt.

Fazit:

Metal Gear Solid V: The Phantom Pain ist das erwartet große Spiel geworden. Die 50 Haupt- und mehr als dreimal so viele Nebenmissionen bieten Futter für über 100 Stunden Spielspaß – und dazu kommen noch der FOB-, sowie der klassische Onlinemodus, der im Oktober an den Start geht. Und was das vielleicht wichtigste ist: Es ist trotz des Open-World Ansatzes ein Spiel geblieben, dass den unverwechselbaren Geist der Metal Gear Solid-Reihe atmet. Angefangen bei den lieb gewonnenen Soundeffekten des Franchises über alte Bekannte und Anspielungen an spätere Titel bis hin zum unverwechselbaren Humor der Reihe und dem Hang zum Übernatürlichen. Lediglich das Erzähltempo ist nicht ganz so schön getaktet wie zum Beispiel bei Metal Gear Solid 4. Dadurch dass der Spieler selbstständig Missionen annehmen kann, hat dieser jedoch zu einem gewissen Grad das Tempo selbst in der Hand und kann es nach Belieben dosieren.

[pricemesh]

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